: Drei Tage mit Dioxin
Unfall in Recyclingfabrik verseucht 20 Quadratkilometer. Anwohner müssen Behörden selbst alarmieren ■ Aus Duisburg Pascal Beucker
Aufregung im Duisburger Stadtteil Wanheim-Angerhausen. Denn die Empfehlungen des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums klingen beunruhigend: Es sei „angeraten, nicht mit Straßenschuhen die Wohnung zu betreten und sich die Hände zu waschen“. Eltern wird empfohlen, ihre Kinder vorläufig nicht im Freien spielen zu lassen.
Bereits in der Nacht von Sonntag auf Montag war bei der Fabrik der B.U.S. Metall GmbH durch eine Störung in einer Filteranlage eine Tonne höchstgradig dioxinverseuchter Stäube über einen 24 Meter hohen Kamin entwichen. Vom NRW-Umweltministerium veranlaßte Bodenproben in der Umgebung der Firma haben ergeben: Der Dioxingehalt lag bei bis zu 820 Nanogramm pro Kilo Staub – und damit um etwa das Achtfache höher als der zukünftige Prüfwert für Dioxine auf Kinderspielplätzen. Erst gestern mittag hatte die Firma B.U.S. das Ministerium davon unterrichtet, daß gar mit einer Belastung von bis zu 4.500 Nanogramm gerechnet werden muß. Bislang ungeklärt ist, warum der offenbar ursprünglich aus einer niederländischen Zink-Schmelzanlage stammende Staub eine derart hohe Dioxinkonzentration aufweisen konnte.
Das staatliche Umweltamt war Montag morgen von Bürgern alarmiert worden. Die hatte der noch in über einem Kilometer von dem Werk feststellbare gut sichtbare schwarze Staub beunruhigt. Das Amt nahm daraufhin Bodenproben in der Umgebung des Werkes. Obwohl die Betriebsgenehmigung für die Fabrik an eine umgehende Benachrichtigungspflicht über mögliche Gefährdungen gekoppelt ist, hatte die B.U.S. die Umweltbehörden nicht informiert.
Der Duisburger Umweltdezernent Jürgen C. Brandt (SPD) kritisiert die B.U.S.: „Die Stoffe waren drei Tage länger in der Welt, als dies bei ordentlichen Meldewegen notwendig gewesen wäre.“ Der grüne Oberbürgermeisterkandidat Gerd Schwemm wirft der Firma schweres Versagen vor. Dem Unternehmen sei bereits am Montag bekannt gewesen, daß eine Verseuchung mit Dioxin stattgefunden habe.
Während der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, nun die sofortige Betriebsstillegung der Metallfabrik fordert, bestellte Bärbel Höhn Vertreter des Firmenvorstandes in ihr Ministerium ein, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Zunächst würden nun mit allen Kräften die betroffenen 20 Quadratkilometer in Duisburger Norden gereinigt. Die B.U.S. wird nach Auskunft der Ministerin dafür die Kosten tragen und setze auch eigenes Personal ein, „damit die Leute nicht ihre Gartenmöbel selbst abwaschen müssen“. Laut Umweltdezernent Brandt sind die Schließung von Kindergärten und medizinische Untersuchungen der Bevölkerung derzeit nicht geplant.
Bereits im Februar 1997 hatte das Umweltministerium bei einer Untersuchung des Bodens von fünf Spiel- und Bolzplätzen in Wanheim-Angerhausen erhöhte Dioxinwerte festgestellt. Als Verursacher schon damals in Verdacht: die B.U.S Metall. Deren Muttergesellschaft ist die EWS Euro Waste Service, die auch die Mehrheit an der Recyclingfirma Sero hält. Das Ministerium sah seinerzeit „die Notwendigkeit emissionsmindernder Maßnahmen bestätigt“. Eine neue Filteranlage, mit der der Störfall vom Montag hätte verhindert werden können, war für Juni dieses Jahres geplant.
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