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Dr. Death's geheimes Projekt

Wouter Basson, der ehemalige Chef des südafrikanischen B- und C-Waffenprogramms, wird wegen Betrugs, Anstiftung zum Mord und Drogenhandel vor Gericht gestellt. Laut Anklageschrift, die bis Mittwoch noch zur Verschlußsache erklärt ist, soll er über Schweizer Konten rund 15 Millionen Dollar beiseite geschafft haben.  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Es ist der Stoff, aus dem Spionage-Thriller geschrieben werden. Ein Unrechtsregime, das die Mehrheit seiner Bevölkerung brutal unterdrückt, unterhält streng geheime Forschungsprojekte, um chemische und biologische Waffen herzustellen. Auch Jahre nach dem Fall der Regierung weiß die Öffentlichkeit immer noch nicht, was genau in den Giftküchen gebraut wurde und was davon noch übrig ist. Denn auch die neue demokratische Regierung hat wenig Interesse daran, daß die Geheimnisse bekannt werden.

Das ist auch der Grund dafür, warum sie ihre Hand schützend über den ehemaligen Topagenten und Wissenschaftler hält, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Ganz gelingt das allerdings nicht, denn der Mann hat seine fast uneingeschränkten Vollmachten auch zu anderen Zwecken genutzt, die das Interesse von Fahndern im Bereich der Wirtschaftskriminalität weckten: Jahrelang hat er im Ausland Geld auf Nummernkonten gewaschen und ein weltweit verzweigtes Netz von Scheinfirmen aufgebaut. Am Ende der Geschichte wird ihm der Prozeß gemacht: wegen Betruges, Verschwörung zum Mord und Drogenhandels.

Wem das ein wenig dick aufgetragen erscheint, wird in Südafrika eines besseren belehrt. Noch in diesem Jahr wird sich Dr. Wouter Basson, 47, der einstige Chef des streng geheimen „Project Coast“ des Apartheid-Staats, vor Gericht verantworten müssen. Wer heute über ihn recherchiert, lebt gefährlich und stößt auf eine Wand des Schweigens. Selbst das Kautionsverfahren lief ganz gegen sonstige südafrikanische Gepflogenheiten unter Ausschluß der Öffentlichkeit.

Rund 350 Seiten umfaßt die Anklageschrift gegen den Mediziner Basson. Das Papier, das derzeit noch unter Verschluß gehalten wird und der taz in Teilen vorliegt, liefert ein spannendes Bild von den wahnwitzigen Verirrungen eines Systems und seiner wissenschaftlichen Handlanger, die davon träumten, B- und C-Waffen auch gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen – und von der Verführbarkeit eines einzelnen, der schlauer sein wollte als alle anderen.

Erst im vergangenen Jahr, in einer Sonderanhörung vor der südafrikanischen Wahrheitskommission, erfuhr die Öffentlichkeit, was Wouter Basson und seine Kollegen in den achtziger Jahren tatsächlich getrieben hatten. Die weiße Minderheitsregierung war damals längst weltweit isoliert und geächtet. Zugleich wähnte sie sich im Kampf gegen den weltweiten Vormarsch des Kommunismus: Im eigenen Land und in den Nachbarländern Namibia, Mosambik und Angola kämpfte Südafrika mit fast allen Mitteln gegen die linken Befreiungsbewegungen – auch mit Gift.

„Ziel des Projekts war, der Armee defensive, eingeschränkt aber auch offensive Mittel im Bereich der chemischen und biologischen Kriegsführung zu verschaffen“, heißt es in der Anklageschrift. Finanziert wurde das Projekt mit geheimen Staatsgeldern. Ein regelmäßig tagendes Gremium aus hohen Armeemitgliedern und ein Rechnungsprüfer kontrollierten die Verwendung der Gelder.

Doch der Fall Basson reicht weit über Südafrika hinaus. Streng geheim besorgte der Mediziner in aller Welt chemische und biologische Substanzen, um die Forschungslabore am Kap auszustatten. Nebenher allerdings handelte er mit Waffen, Chemikalien und Drogen und wusch Geldsummen in schwindelerregenden Höhen, offenbar ohne daß seine Vorgesetzten jemals Verdacht schöpften.

Um seinerzeit etwa 15 Millionen US-Dollar betrog Basson seine eigenen Dienstherren mithilfe eines ausgeklügelten Systems von Scheinfirmen, Mittelsmännern und Nummernkonten. Williger Helfer war einmal mehr die Schweiz, wo Basson offenbar nicht nur Kontakte zum Chef des Geheimdienstes, Peter Regli, hatte. Über einen Mittelsmann, den Pharmakologen David Chu, so die Anklage, gründete Basson die Scheinfirma „Medchem Forschungs AG“, die das heimische „Roodeplat Research Laboratory“ mit „Gütern und Dienstleistungen“ versorgen sollte.

Basson war faktisch der Chef und nutzte die Firma – wie viele andere auch – vor allem für seine eigenen Zwecke. Laut Anklage leitete er über die Firma einmal 325.000 US-Dollar, ein anderes Mal 450.000 Schweizer Franken auf Privatkonten um. Über ein kompliziertes Geflecht von Strohmännern betrieb er mehrere Konten in der Schweiz: Genannt werden namentlich die Baseler Niederlassung der Banque Nationale de Paris, die Banque Indosuez in Genf und die Bankgesellschaft Zürich.

Doch das Netz Bassons spannte sich um die ganze Welt. Während er innerhalb Südafrikas – mit Wissen seiner Vorgesetzten – seine Geschäfte über ein Imperium namens „Wisdom Group“ abwickelte, gründete er über den amerikanischen Anwalt David Webster die WPW-Gruppe, die wiederum Tochterfirmen auf den karibischen Cayman Inseln, in den USA, Luxemburg und England errichtete. WPW besaß nicht nur Häuser und Konten in aller Welt, sondern auch Privatflugzeuge und einen Golfplatz in Belgien.

Beste Verbindungen hatte Basson der Anklage zufolge auch zu einem bekannten belgischen Professor für Toxikologie an der Universität Gent. Aubin Heyndricks traf Basson mindestens einmal auf einem Kongreß in Gent und verkaufte ihm nicht nur Analysegeräte für Giftgas, sondern stellte freundlicherweise auch seine Bankkonten zur Verfügung. Besonders pikant: Heyndricks arbeitete zur gleichen Zeit für die Nato, die ein weltweites Embargo für den Export chemischer Kampfstoffe und entsprechender Geräte verhängt hatte.

In einschlägigen Kreisen ist Heyndricks ohnehin kein Unbekannter. Schon Ende der achtziger Jahre hatte die taz von Reisen des Experten in die angolanische Bürgerkriegsregion berichtet. Der Professor gilt als guter Freund von Rebellenchef Jonas Savimbi und erbrachte für die Unita den wissenschaftlichen Nachweis, daß die marxistischen Regierungstruppen, die von Kuba und der Sowjetunion unterstützt wurden, Giftgas gegen Zivilbevölkerung eingesetzt hatten. Basson erklärt heute, genau aus diesem Grund von der Armeeführung Südafrikas den Auftrag erhalten zu haben, mit dem Project Coast zu beginnen. Denn das Giftgas traf angeblich auch die dagegen wehrlosen südafrikanischen Soldaten, die auf Seiten der Unita kämpften.

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