: Milošević provoziert die Nato Neue Vertreibung im Kosovo
■ Nach dem Abzug der OSZE-Beobachter beginnt im Kosovo eine neue Großoffensive: Häuser gehen in Flammen auf, Tausende Menschen müssen fliehen. Die Nato gibt dem jugoslawischen Präsidenten eine letzte Frist von „wenigen Stunden“
Priština/Brüssel (rtr/dpa/taz) – Einheiten der jugoslawischen Armee haben am Wochenende eine Großoffensive im Kosovo gestartet und dabei eine neue Massenflucht von 15.000 Menschen ausgelöst. Während die 1.400 Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Samstag ins benachbarte Makedonien abzogen, rückten serbische Soldaten in die zentral gelegene Drenica-Region des Kosovo vor, die weitgehend von der albanischen UÇK-Guerilla kontrolliert wird. Unter Einsatz schwerer Artillerie gingen sie gegen Dörfer vor, in denen sie Hochburgen der UÇK vermuteten. Serbische Quellen sprachen von ständigen Angriffen der UÇK auf Polizeieinheiten.
Die Ortschaft Srbica, die vergangene Woche noch voll von Flüchtlingen war, ist mittlerweile leer. Gestern waren zahlreiche Gebäude in der Stadt mit Scharfschützen besetzt. Flüchtlinge irrten zu Tausenden zwischen den Dörfern herum. Viele von ihnen waren trotz der eisigen Winterkälte nur leicht bekleidet und ohne Gepäck. Die jüngste serbische Offensive fand nach Abzug der OSZE ohne internationale Zeugen statt, von einigen Journalisten abgesehen. Die UÇK forderte, die Nato müsse die Offensive sofort stoppen.
Die Botschafter des westlichen Verteidigungsbündnisses tagten gestern in Brüssel, doch ein grünes Licht für die wiederholt angedrohten Luftangriffe gegen Serbien wurde nicht gegeben. Die Nato will dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević noch eine „letzte Chance“ zum Einlenken geben. Nato-Generalsekretär Javier Solana werde die Konsultationen mit den Regierungschefs und Außenministern der 19 Allianzpartner fortsetzen, bis er „klare Schlußfolgerungen“ ziehen könne, verlautete nach der zweistündigen Sitzung aus Nato-Kreisen.
Gleichzeitig wurde die Vorwarnzeit für den Einsatz der Nato-Kräfte von bisher 48 Stunden auf „wenige Stunden“ herabgesetzt. Die technischen Vorbereitungen für Luftangriffe auf serbische Stellungen seien abgeschlossen, sagte ein hoher Nato-Beamter. „Wir stehen bereit“, betonte er. Der Nato-Rat wird heute erneut zusammentreten.
Nato-Kreise äußerten die Hoffnung, daß Milošević doch noch zur Unterzeichnung des Kosovo-Friedensabkommens bereit sein könnte: „Er hat dafür noch einige Stunden Zeit.“ Bislang ist das Abkommen nur von den Kosovo-Albanern unterschrieben. Serbien lehnt vor allem die Stationierung von Friedenstruppen unter Führung der Nato zur Durchsetzung des Abkommens ab. „Die wichtigsten Punkte“ des Abkommens von Paris stünden jedoch „nicht mehr zur Diskussion“, wurde im Nato-Hauptquartier unterstrichen. „Jeder hier ist sich der Dringlichkeit der Situation bewußt. Wir wollen Milošević keine Gelegenheit geben, am Boden vollendete Tatsachen zu schaffen.“
Auch die internationalen Vermittler wollen noch einen „letzten Versuch“ starten, um Milošević zur Unterschrift unter das Abkommen zu bewegen. Neben dem US-Sondergesandten Richard Holbrooke wird auch eine dreiköpfige Kommission aus dem EU-Unterhändler Wolfgang Petritsch, dem US-Diplomaten Christopher Hill und dem Russen Boris Majorski nach Belgrad reisen. Berichte Seiten 6 und 8
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