: Schlag gegen türkische Islamisten
Der Staatsanwalt des Staatssicherheitsgerichts will die Fazilet-Partei verbieten lassen. Deren Parlamentsfraktion drohte, die Regierung Ecevit zu stürzen ■ Aus Istanbul Jürgen Gottschlich
Wenige Stunden bevor gestern das türkische Parlament zusammentrat, um über einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung von Bülent Ecevit abzustimmen, landete der Staatsapparat einen neuerlichen Schlag gegen einen seiner Gegner. Der Staatsanwalt des Staatssicherheitsgerichts Ankara, Nuh Mete Yüksel, der auch die Anklage gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan vertritt, stellte vor Gericht einen Verbotsantrag gegen die stärkste Fraktion im Parlament, die islamische Fazilet-Partei.
Formal ersuchte Yüksel um die Zustimmung zu einem Ermittlungsverfahren, das zum Verbot der Partei führen soll. Begründet wird der Antrag damit, daß die Fazilet 21 Funktionsträger ihrer verbotenen Vorgängerpartei, der islamischen Wohlfahrtspartei, in ihre Parlamentsfraktion aufgenommen habe. Die Wahl des Zeitpunktes zielte darauf ab, die Fazilet-Partei, die bei dem Mißtrauensvotum über die entscheidenden Stimmen verfügt, zu verunsichern. Etliche Abgeordnete fielen um, dem Antrag fehlten 40 Stimmen. Ecevit bleibt im Amt, und auch der Termin für vorgezogene Neuwahlen, der 18. April, ist gesichert.
Daß es überhaupt zu dem Mißtrauensantrag kam, war schon ein Affront gegen die eigentliche Macht im Staate. Am vergangenen Donnerstag hatte Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu im Namen der Armee erklärt, das Militär sei für die Wahlen im April und selbstverständlich dagegen, jetzt die Regierung zu stürzen. Die Debatte um eine Verschiebung der Wahlen, und damit verknüpft Ecevits Sturz, war von einer Gruppe Abgeordneter initiiert worden, die von ihren Parteien für die bevorstehenden Wahlen als Kandidaten nicht mehr nominiert worden waren. Die islamische Fazilet hatte sich auf Drängen ihres Altmeisters, des ehemaligen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan, der Initiative angeschlossen. Erbakan, der gleichzeitig mit dem Verbot der Wohlfahrtspartei für fünf Jahre von jedem politischen Amt ausgeschlossen worden war und gegen den zur Zeit noch ein Verfahren wegen Hochverrats läuft, hoffte, durch eine neue Regierung rehabilitiert zu werden.
Bereits in der Vorwoche hatte Yüksel gegen führende Islamisten aus der Umgebung Erbakans geklagt. Danach droht dem früheren Stellvertreter Erbakans im Vorsitz der inzwischen verbotenen Wohlfahrtspartei, Ahmet Tekdal, und den Abgeordneten Hüseyin Ceylan, Sevki Yilmaz und Halil Celik die Todesstrafe. Gegen 24 weitere Angeklagte forderte Yüksel Haftstrafen zwischen sieben und 22 Jahren. Die Wohlfahrtspartei war 1998 verboten worden, weil sie angeblich einen islamischen Gottesstaat gründen wollte. Ihre Nachfolgerin Fazilet stellt die größte Fraktion im Parlament.
Auch mit ausländischen Kritikern gehen die türkischen Behörden nicht zimperlich um. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes sollten noch gestern im südostanatolischen Adana neun Deutsche dem Haftrichter vorgeführt werden. Sie waren am Sonntag pünktlich zum kurdischen Neuhjahrsfest Newroz festgenommen worden.
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