: Gesundheitspolitik im Dornröschenschlaf
■ Gesundheitsräume oder Heroin auf Rezept: Drogenpolitik heißt in Bremen Borttscheller / Reformen kommen erst nach der Wahl?
Ob Heroin auf Rezept, Fixerstuben oder die Legalisierung von Cannabis: Drogenpolitisch liegt Bremen im Dornröschenschlaf. Während sich andere Städte an bundesweiten Modellversuchen beteiligen, überläßt Gesundheitssenatorin Tine Wischer (SPD) in Bremen lieber ihrem Kollegen und CDU-Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) das Feld. Statt Reformvorschlägen gibt's Repressions-Schlagzeilen: Erst jetzt verkaufte Borttscheller ganze zwei Tage hintereinander die Erfolge seines Bremer Repressionskurs – und das Gesundheitsressort hüllte sich wie immer in Schweigen.
Die Forderung vom stellvertretenden CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Hermann Kues nach einem drogenpolitischen Kurswechsel in der eigenen Partei hatte Innensenator Borttscheller auf den Plan gebracht. Bremen sei ein „Musterbeispiel für eine erfolgreiche, repressive Drogenpolitik“, gab er prompt am Montag als Meldung an Presseagenturen und schimpfte auf Fixerstuben. Gestern dann lobte er den Rückgang der Beschaffungskriminalität – und tadelte Wischer indirekt für die hohe Zahl von 67 Bremer Drogentoten: Offenbar gebe es wohl wie in Hamburg Schwachstellen im Methadonprogramm.
Die SPD-Fraktion reagierte auf all das nur mit einer zahmen Bitte: Im Schulterschluß forderten die SPD-Gesundheits- und Sozialpolitikerinnen Elke Steinhöfel und Waltraud Hammerström die CDU-Fraktion beherzt zu Gesprächen über Bremer Modellversuche zur Heroinvergabe oder zu Fixerräumen auf, „auch wenn wir nun fast am Ende der Legislaturperiode stehen“, entschuldigten sie ihr bisheriges Schweigen zum Thema. Denn eigentlich sind die TeilnehmerInnen für die Modellversuche der rot-grünen Bundesregierung längst beschlossene Sache – der neue drogenpolitische Zug für Bremen längst abgefahren.
SPD-Gesundheitssenatorin Wischer habe sich das Zepter eben vom Innensenator aus der Hand nehmen lassen, heißt es jetzt wohlwollend aus CDU-Kreisen. Ganz sicher wäre die Senatorin mit ihren Reformforderungen nämlich sofort an der Bortscheller-CDU gescheitert, und dann als politische Verliererin aus dem Rennen gegangen. Eine Einschätzung, die durch die Blume auch SPD-Sozialpolitikerin Silke Steinhöfel teilt: Mit dieser „Randgruppen“-Problematik sei gesundheitspolitisch eben auch kein echter Start zu machen, bedauerte sie auf Nachfrage. Jetzt vor der Wahl würde man ohnehin nichts für die immerhin 4.000 Drogenabhängigen in der Stadt bewirken – statt Lösungen hätte man nur wieder die leidige Konfrontation mit der CDU am Hals.
Reformdiskussionen werden also verschoben auf die Zeit nach der Wahl, „wenn keiner mehr um Stimmen fürchten muß“, gibt Steinhöfel schulterzuckend zu. Dann könnte Bremen ja Erfahrungen aus anderen Modellstädten wie Hamburg oder Hannover abfragen – und dann bei der CDU nachhaken. Schließlich müßte sich auch Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) daran messen lassen, was er noch vor einem Jahr in einem taz-Interview zur Heroinvergabe gesagt hatte: „Wir müssen notfalls die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen, daß man Kranken unter strikten Auflagen helfen kann.“
Davon wollte Borttscheller zwar gestern nichts mehr wissen – wohl aber reformerische Kräfte wie der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jens Eckhoff. Denn der ist sich sicher, „daß wir das Drogenthema nach der Wahl in der CDU-Fraktion zügig voranbringen“ – und damit auch Diskussionen über Heroinvergabe an Schwerstkranke. Da sei im Grunde auch der Innensenator gesprächsbereit – nur nicht unbedingt in der Vorwahlkampfzeit. Katja Ubben
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