: „Auf dem Weg in die Diktatur“
■ Nach dem Mord an Vizepräsident Argaña steht Paraguay vor der schwersten Krise seit dem Putsch 1989. Die Opposition beschuldigt Präsident Cubas als Drahtzieher des Attentats
Santiago/Asunción (taz/AFP/dpa) – Der Mordanschlag auf Vizepräsident Luis Maria Argaña hat Paraguay in eine gefährliche Krise gestürzt. In der Hauptstadt Asunción lieferten sich Demonstranten in der Nacht zu Mittwoch vor dem Parlament und dem Regierungspalast Straßenschlachten mit der Polizei. Radiosender sprachen von Dutzenden von Verletzten. Die Demonstranten forderten – ebenso wie sämtliche politischen Parteien und soziale Organisationen des südamerikanischen Landes – den Rücktritt von Präsident Raúl Cubas, dem sie zumindest eine Komplizenschaft bei dem Attentat unterstellen.
Unterdessen hat der Gewerkschaftsdachverband CUT einen unbefristeten Generalstreik ausgerufen, der erst nach dem Rücktritt Cubas' beendet werden soll. 10.000 Bauern sind nach Asunción marschiert und haben sich den Protesten angeschlossen. Viele Schulen und Geschäfte in der Hauptstadt wurden geschlossen, der öffentliche Nahverkehr stellte seinen Betrieb ein. Bereits wenige Stunden nach dem Mord erklärte Innenminister Ruben Arias seinen Rücktritt. Zu seinem Nachfolger ernannte Cubas seinen Bruder Carlos.
Argañas, der ebenso wie Cubas der regierenden Colorado-Partei angehörte, war am Dienstag morgen von mehreren uniformierten Männern mit zehn Schüssen auf sein Auto ermordet worden. Die Täter konnten unerkannt flüchten. Der Hergang des Attentats legt nahe, daß es sich um Profikiller handelte.
„Präsident Raúl Cubas und der flüchtige General Lino Oviedo tragen die Verantwortung für dieses feige Attentat“, so die gemeinsame Erklärung der Präsidenten von Senat und Abgeordnetenhaus.
Argaña war ein politischer Erzfeind Cubas' und Oviedos. Der Präsident hatte unmittelbar nach seiner Amtsübernahme im August 1998 Putschgeneral Oviedo begnadigt. Dieser war 1997 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil er 1996 gewaltsam versucht hatte, den damaligen Präsidenten Carlos Wasmosy zu stürzen. Der Oberste Gerichtshof hatte die Begnadigung wenig später für unrechtmäßig erklärt. Cubas muß sich deshalb kommenden Monat einem Untersuchungsausschuß des Parlaments stellen. Der Organisator des Ausschusses: Luis Maria Argaña. Der Vizepräsident war es auch, der alles daransetzen wollte, Oviedo, der untergetaucht ist, wieder zurück ins Gefängnis zu bringen.
Cubas streitet jede Beteiligung an dem Mord strikt ab. „Ich habe ein reiner Gewissen“, stammelte er kurz nach dem Mord in das Mikrophon eines paraguayischen Journalisten, „ich denke nicht darüber nach, zurückzutreten“. Nach einer Verbindung des Präsidenten zu dem Mord hatte der Journalist allerdings gar nicht gefragt. Auch Oviedo wies in einem CNN-Live-Interview aus dem Untergrund jede Verantwortung für das Attentat von sich.
Ex-Präsident Wasmosy hingegen beschuldigte ebenfalls den Präsidenten und forderte das Ausland zum Eingreifen auf: „In Paraguay ist der Terror zum Herrschaftsinstrument geworden.“ Die USA forderten eine „energische Untersuchung“ des Attentats. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) verurteilte im Namen der Europäischen Union „aufs schärfste die Anwendung von Gewalt“ und rief Paraguays Institutionen zu verantwortlichem Handeln auf.
Paraguays Ex-Diktator Alfredo Stroessner zeigte sich im brasilianischen Exil laut einer Mitarbeiterin „überrascht“ vom Tod eines seiner engsten Vertrauten zu Zeiten der Militärdiktatur. Der Jurist Araña war unter anderem Architekt der Verfassung Stroessners. Lange Zeit wurde er als Nachfolger des Diktators gehandelt, was ihm den Namen „der Prinz“ einbrachte. Nach der Rückkehr Paraguays zur Demokratie 1989 blieb Argaña in der seit 51 Jahren regierenden Colorado-Partei.
Auch wenn Argentinien, Brasilien und Urugay, die zusammen mit Paraguay die Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur bilden, das Attentat in einer Erklärung als „nicht gefährlich für die Stabilität Paraguays“ bezeichneten, machen sich viele Sorgen über die Zukunft des Landes. „Die Leute reagieren mit einer Gewalttätigkeit, wie wir sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben“, sagte die Senatorin Elba Recalde, „ wir sind auf dem Weg zurück zur Diktatur.“ Ingo Malcher
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