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Weg mit dem Muff der letzten 20 Jahre

■ Freut Euch auf Zwangsberatung und Studiengebühren fürs Zweitstudium: BremHG in erster Lesung beschlossen

Wie die Langzeitstudentin Karla K. ihrem Zwangsberater nun erklären soll, warum sie die Regelstudienzeit um vier Semester überschritten hat, weiß sie noch nicht genau. Die Arbeit als studentische Vertreterin im Fachbereichsrat ist zeitaufreibend und ziemlich frustrierend, seitdem die Professoren nicht nur eine, sondern zwei Stimmen Mehrheit haben. Auch der Gerichtsprozeß, in den sie verwickelt ist, kostet Nerven: Vielleicht hätte sie doch nicht in der AStA–Zeitung über die Unfähigkeit der Bremer Landesregierung schreiben sollen. Alles wächst ihr über den Kopf: Mit dem Geld, das sie beim Jobben verdient, kann sie gerade mal die Studiengebühren für ihr Zweitstudium bezahlen. Falls ihr jetzt keine triftige Begründung für die lange Studiendauer einfällt, droht ihr die Zwangsexmatrikulation.

Noch sind Karla K.s Sorgen Szenarien der Zukunft, doch der ist die Bremische Bürgerschaft gestern ein gutes Stück näher gekommen: Dem neuen Bremische Hochschulgesetz (BremHG) wurde in erster Lesung mit den Stimmen der CDU und SPD zugestimmt. Die AfB enthielt sich der Stimme, die Grünen stimmten dagegen.

„Die Studierenden sind die eindeutigen Verlierer der Novelle“, warf der Grüne Hermann Kuhn der Großen Koalition vor. Dreizehnmal hatte sich der nichtständige Ausschuß „Hochschulrecht“ zur Vorbereitung des Gesetzes getroffen, alle Hochschulgruppen vom AStA bis zum Rektor wurden nach ihrer Meinung gefragt. Bremen will die erste Landesregierung werden, die ihr Hochschul-Gesetz an das Bundes-Hochschulrahmengesetz (HRG) anpaßt.

Seitdem der erste Entwurf der Koalition im Oktober 1998 vorgestellt wurde, ist erheblich nachgebessert worden. Der Gegenentwurf der Grünen schlug stellenweise das SPD/CDU-Papier um Längen – das mußten sogar die Regierungsparteien eingestehen. So werden die Studiengangskommissionen nun doch nicht abgeschafft; Frauenvertreterinnen behalten ihren Einfluß (sie können ihn allerdings nicht ausweiten); Tierschutz wird ins Gesetz mit aufgenommen; es wird kein Zweiter-Klasse-Master oder Bachelor für Fachhochschüler eingeführt und der Akademische Senat verliert nicht so viel Einfluß, wie anfangs vorgesehen.

„Die Novelle ist durch die Beratungen nicht schlechter geworden. Nur: Ein gutes Bremisches Hochschulgesetz ist es immer noch nicht“, kritisierte der Grüne Kuhn. Gerade die Punkte, bei denen er noch Bauchschmerzen hat, sind für die CDU-Abgeordneten Elisabeth Motschmann der Hebel, mit dem die Moderne im Hochschulrecht eingeführt werden soll: „Es gibt einige 68er, die gegen den Muff der letzten 1000 Jahre gekämpft haben, aber sich mit dem Muff der letzten 20 Jahre abgefunden haben“. Das heißt unter anderem für die Zukunft: Mehr Macht für die Rektoren und Professoren und kein bis-chen politisches Mandat für den Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA).

Der SPD-Abgeordnete Manfred Fluß schließlich befand, daß die Unterschiede zwischen Grünen und Koalition eigentlich gar nicht so groß seien: Früher seien Bürgerschaftssitzungen wegen Hochschulfragen gesprengt worden, im Saal hätte man sich regelrechte Schlachten geliefert. Und heute? „Das ist das erste Mal, daß wichtige Entscheidungen ohne Großdemonstration der Studierenden auf dem Marktplatz gefällt werden.“ Schöne, moderne Zeit. Christoph Dowe

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