: Der Mittelfeldmotor im Börsenverein
Fußballhandwerker Winfried Schäfer will als Trainer von Tennis Borussia wieder an alte Erfolge anknüpfen, die er einst mit dem KSC erlebt hat. „Arbeit“ ist sein Credo, der Vorstand hofft auf Spiele und Geld. Ein Porträt ■ Von Rolf Lautenschläger
Winfried Schäfer hat wieder einen Job. Endlich. Aber nicht als Coach beim FC Barcelona oder auf Teneriffa, wohin es manchmal aus der Bundesliga verstoßene Trainer verschlägt. Nein. Schäfer tritt beim Zweitligisten Tennis Borussia als Übungsleiter an. Das paßt zu ihm, denn da ist Tackling gefordert. Franz Beckenbauer, jemand der es wissen muß, hat einmal ein Schmackerl über „Winnie“ Schäfer fallenlassen. „Das ist einer, der mit hochgekrempelten Ärmeln am Spielfeld auf- und abrennt. Der Mann brennt.“ Ein Lob von einem, der einst auf dem Platz die Drecksarbeit von anderen hat machen lassen und heute den FC Bayern im schicken Zwirn führt, ist das gerade nicht. Das klingt nach Underdog.
Schäfer hat seinem Ruf als „Jobber“ gleich am Donnerstag abend in Berlin wieder Ehre gemacht. „Wir schaffen das hier bei Tennis Borussia. Mit viel Arbeit werden wir einen der drei Plätze erreichen und in die Erste Bundesliga aufsteigen.“ Blut, Schweiß und Tränen stehen den „Veilchen“ bevor. Ein Schleifer ist Schäfer zwar nie gewesen, aber einer, „der für neue Aufgaben den ganzen Einsatz fordert“ – von sich, den Spielern und dem Verein. „Aufbauarbeit“ nennt er das.
„Die Situation in Berlin erinnert mich an die damals in Karlsruhe, als ich 1986 auch ein Team in der Zweiten Liga übernommen habe.“ Tennis Borussia steht in der Liga auf einem wackeligen vorderen Tabellenplatz. Viel gewinnen die auf Hertha BSC getrimmten Berliner Fußballfans den „Veilchen“ nicht ab. Das Stadion ist eher bescheiden. Und Kicker mit großen Namen sucht man vergebens.
Wie in Karlsruhe? Damals haben alle über das Greenhorn, das zuvor bei Borussia Mönchengladbach, dann beim KSC als „Mittelfeldmotor“ die Bälle nach vorn geschleppt hatte, gelacht. Ein Club wie Karlsruhe verschliß seine Trainer. Und wer gekündigt wurde, fand schwer wieder eine Anstellung. Der KSC stand für Abstieg.
Genau das hatte Schäfer gereizt. Er hat die offenen Telefonrechnungen des verschuldeten Vereins aus eigener Tasche bezahlt, den KSC in die Erste Liga geführt, den Stadionausbau forciert und Spieler zu Stars getrimmt. Dummerweise haben die Großkopferten von Bayern München oder Leverkusen seine Schüler Kahn, Tarnat, Fink, Nowotny und andere Nationalkikker mit viel Geld geködert. „Wir machen beim KSC die Nachwuchsarbeit für die Bayern“, sagte Schäfer einmal bräsig. Man gewann in München 4 : 0 und ließ gleich die halbe Mannschaft dort. „Der Schäfer kann einem leid tun“, befand 1993 etwa Max Merkel, Trainerlegende aus München.
Aber „der Winnie“, wie sie ihn in Karlsruhe nannten, weil er Fußball euphorisch zum Lebenselexier in Baden stilisierte, der sich öffentlich mit Frau und Kindern die Haare schneiden ließ, zweimal knapp am Uefa-Pokalsieg vorbeischrammte, aber dabei immer glorreich verlor, machte verbissen weiter. Als biederer Arbeiter, der es den Großen „über den Kampf“ zeigen wollte und vom Erfolg durch Solidität überzeugt war. Daß ihn der mächtige Boß des KSC, Präsident Schmieder, nach 12 Jahren aus dem Amt entließ, schmerzt ihn noch heute. Für den Club hatte er „erstklassige Angebote“ sausen lassen. Und manche interpretieren deshalb sein Engagement 1998 beim Konkurrenten VfB Stuttgart, das nur ein paar Wochen dauerte, weil die Stars ihn mobbten, als „totalen Blackout“. Als Karlsruher geht man nicht nach Stuttgart. Das ist Gesetz.
Doch alleiniges Ärmelhochkrempeln und der Mythos KSC wird bei TeBe nicht reichen. Daß Schäfer gestern in Erinnerungen schwelgte und von der „faszinierenden Stadt“ sprach, zeigt seine Unsicherheit auf dem neuen Parkett. „Aufbauarbeit“ ist eine Sache. Die andere ist die, daß für TeBe der Erfolg nur Mittel zum Zweck bedeutet. Der Verein geht an die Börse, die mächtige „Göttinger Gruppe“ fungiert als Sponsor und der Club wird von Aufsichtsräten geführt, die im Fußball das Geschäft wittern. Wie hart es für Schäfer im Zweifelsfall werden kann, haben die letzten Wochen gezeigt. Da führte der „Veilchen“-Klub bereits Gespräche mit dem neuen Trainer, belog die Öffentlichkeit über dessen Zu- und Absagen und führte den damals amtierenden Cheftrainer Stanislav Levy an der Nase herum.
Einstweilen glaubt der volksnahe Winnie, daß mit ihm TeBe zu mehr werden kann als nur zur Kapitalanlage. Wohl deshalb haben die Verhandlungen über das Engagement an der Spree auch so lange gedauert. Schäfer will nicht nur die Führung über das Team, sondern auch die über die Zukunft des Vereins. „Mein Konzept und die Ansichten der Vereinsführung stimmen überein“, sagt er. Schäfer ist Profi genug, um zu wissen, daß solche Aussagen im Fußball von Halbwertzeit sind. Darum beläßt er seine Wohnung erst mal im Badischen.
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