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Bonn hat keine Zeit für Nigeria

■ Der gewählte Präsident Obasanjo reist zum Staatsbesuch nach England, Frankreich und Belgien, aber nicht nach Deutschland

Berlin (taz) – Eigentlich sollte Nigerias neugewählter Präsident, General Olusegun Obasanjo, heute zu einem Besuch in Deutschland eintreffen – der vierten Etappe einer Europareise, die ihn bereits nach London, Paris und Brüssel gebracht hat. Aber nun kommt er nicht. Wie das Auswärtige Amt gestern der taz bestätigte, wurde der Besuch „kurzfristig“ abgesagt. Grund: der EU-Gipfel in Berlin. Der könne ja länger dauern als bis Donnerstag abend, wie ursprünglich geplant.

Bei dieser Begründung hätte es eigentlich gereicht, den Besuch einfach zu verschieben – Obasanjo befindet sich auf einer ausgedehnten Weltreise. Aber der Besuch ist gänzlich abgesagt. Es gebe jetzt „keinen konkreten Termin“ mehr, so der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Aus Kreisen, die Obasanjo nahestehen, wird die Sache etwas schärfer formuliert: Von mangelndem deutschen Interesse ist die Rede. Gerhard Schröder habe für Obasanjo keine Zeit.

Dabei ist der neugewählte nigerianische Präsident, der nach seinem Wahlsieg vom Februar am 29. Mai sein Amt übernehmen soll, Deutschland eng verbunden. Zu seinen Freunden zählen die in Berlin ansässige Antikorruptionsorganisation „Transparency International“ und Helmut Schmidt, der während Obasanjos Zeit als Militärdiktator 1976 – 1979 Bundeskanzler war. Nachdem Obasanjo im vergangenen Juni nach dem Tod des nigerianischen Diktators Sani Abacha aus mehrjähriger Haft entlassen wurde, hielt er sich längere Zeit in Deutschland auf, unter anderem zur medizinischen Behandlung. Aus kaum einem anderen Land erreichten ihn damals so viele Stimmen, die ihn drängten, in die Politik zurückzukehren – was er dann mit sichtbarem Erfolg auch tat.

Bei dieser Reise, auf der er als angehender Staatschef und nicht als entlassener Häftling unterwegs ist, hat Obasanjo unter seinen europäischen Kollegen nun lediglich Jacques Chirac und Tony Blair kennengelernt. Davor war er bereits durch Afrika gereist; nun kommen die USA und weitere Reiseziele auf anderen Kontinenten dran.

Hauptziel der mehrwöchigen Tour ist, ausländische Investoren nach Nigeria zu locken und Zusagen für eine Erleichterung der nigerianischen Auslandsschuldenlast zu erhalten. Deutschland ist einer der führenden Wirtschaftspartner Nigerias und wäre damit eine wichtige Etappe gewesen – für beide Seiten.

Dominic Johnson

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