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Stadthalle beherbergt IG Farben i.A.

■ Die Nachfolgeorganisation der IG Farben fordert Geld von Schweizer Großbank, die Geld vor den Alliierten verstecken sollte

Frankfurt (taz) – „Die Gesellschaft war 1998 bar jeder Liquidität.“ So drastisch wie Volker Pollehn hatte bislang noch kein Liquidator der IG Farben AG in Abwicklung den Aktionären die Lage geschildert. „Unter normalen Umständen“ hätte Konkursantrag gestellt werden müssen, sagte Pollehn gestern in Frankfurt auf der verspäteten Hauptversammlung für 1997. Also endlich Schluß mit dem Handel mit den „Blutaktien“, wie die Wertpapiere der vor 50 Jahren gegründeten Firma von den Überlebenden des KZ Buna-Monowitz noch heute bezeichnet werden?

Mitnichten. Weil die Hauptversammlung für 1997 verschleppt worden war – die IG Farben i.A. hatten trotz intensiver Suche über ein Jahr lang vergeblich einen Tagungsort gesucht – bestellte das Amtsgericht Frankfurt im Oktober 1998 die neuen Liquidatoren Pollehn und Bernhardt, die einen Konsolidierungsplan vorlegten. So wurde die drohende Pleite der Nachfolgegesellschaft der verbrecherischen IG Farben noch einmal abgewendet. Die von CDU und SPD regierte Stadt Frankfurt half der Firma dabei, die Bestimmungen des Aktiengesetzes einhalten zu können, wonach eine AG jährlich eine Hauptversammlung durchzuführen hat. Die Kommune stellte den Liquidatoren jetzt die Stadthalle Bergen-Enkheim zur Verfügung.

Kritische Aktionäre und Antifaschisten protestierten sowohl drinnen als auch draußen. Als sich im Saal der Geruch von „Stinkbomben“ verzogen hatte, machte Pollehn den Aktionären klar, daß das „Ostvermögen“ der AG wohl verloren ist: Sämliche Behörden und Gerichte hätten die Anträge der AG abgeschmettert. Hoffnung auf die Rückgabe von „Auslandsvermögen“ machte Pollehn den Aktionären dennoch. Die Schweizer Großbank UBS horte noch Geld der IG Farben. „Treuhänderisch“ hätten die historischen Vorgänger der Bank das Vermögen der zum Konzern gehörenden IG Chemie Basel verwaltet, um es dem Zugriff der Alliierten zu entziehen. An die geschätzten 4,4 Milliarden Mark will die IG Farben jetzt ran. Die Schweiz solle sich „aufgeschlossen zeigen“, drohte Pollehn – sonst trage sie „das Mal des Unrechts auf der Stirn“.

Über Vermögenswerte von 35,1 Millionen Mark verfügt die IG Farben noch. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Immobilien in heruntergewirtschaftetem Zustand. Die Liquidatoren regten „unverbindlich“ die Gründung einer Stiftung zur Entschädigung von Opfern der IG Farben an. Für die kritischen Aktionäre eine „Farce“, für die anderen eine „Verschleuderung von Aktionärsvermögen“. Klaus-Peter Klingelschmitt

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