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Die Schöne ohne Biest aber mit Loser

■ „Shoemaker“ erzählt vom Unterschied zwischen der Liebe zu Schuhen und zu Frauen

Natürlich funktionieren auch Liebesbeziehungen nach den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage, Preis und Leistung. Umso rührender, wenn der australische Film „Shoemaker“ von der Begegnung eines nicht nur reinen, sondern auch ziemlich unansehnlichen Toren – eine Art moderner Parsifal – mit einer gutaussehenden Frau träumt.

Das Fleisch an Careys Körper gehorcht einer fatalen Tendenz gen Boden. Wangen, Schultern, Blick – überall nistet hier Melancholie und Lebensuntauglichkeit. Und dabei lacht der Schustersmann doch so gerne und schön. Carey sieht nicht nur aus wie einem KaurismäkiFilm entsprungen, er ist auch genauso kommunikationsbehindert wie seine finnischen Brüder im Geiste. Regisseurin Colleen Murphy charakterisiert den Mann durch wenige Striche: Wenn ein Eishockeytor fällt, schreit Carey „Tor“. In der Mittagspause kocht er für sich und seinen Arbeitskollegen, Freund und einzigen Gesprächspartner Paul Suppe und zwar täglich dieselbe – da ist der Wechsel von Basilikum zu Oregano ein bedenkliches Wagnis. Seine Fische – kaum weniger stumm als Carey – füttert er zärtlichst: Blau wie die blaue Blume der Romantiker strahlt da das Bild. Meistens aber sitzt Carey auf einem Hocker und schrubbt Schuhe sauber, hin und zurück, hin und zurück, das ist inszeniert als seltsame Mischung zwischen Sex, Pedanterie und religiöser Meditationsübung. Und schon ist die Figur Carey komplett. Sprechen empfindet er als widernatürliche Handlung. Im Ernstfall rettet er sich durch das Schnacken übers Geschlechtsleben von Schnecken.

Viel hat der Mann nicht zu bieten. Allerdings ist er eben auch frei von den diversen Dusseligkeiten der sogenannten Lebenstüchtigen. Wer nichts sagt und will, kann eben auch keinen Mist sagen und wollen. Er ist leer von allem Leeren, würden die Mystiker sagen. Das ist es vielleicht, was Anna an ihm liebt. Beim Anbaggern macht Carey alles derart falsch, daß es schon wieder richtig ist. Rührung ist es, die Anna zu Boden zieht und ins Bett.

Für ihre kleine, unspektakuläre Geschichte hat sich Murphy ein paar schöne Unorte einfallen lassen: ein leergefegtes Eishockeystadion, eine Hinterhofbrandmauer, Flußufer, Kosmetikgeschäft, Reisebüro. Kußszenen zeigen Annas makelloses Profil und einen Carey, der glückselig-gierig an ihr herumschlabbert wie ein Kind an der Eistüte. Natürlich kann sooo etwas auf Dauer nicht funktionieren, behauptet dieser Film. Das Außergewöhnliche ist flüchtig, es darf nur in kurzen Zeitinseln existieren. Warum eigentlich? Letztendlich ist dieser schöne Film, der so liebenswert fantasiert von einer Liebe jenseits vernünftiger Interessenpolitik, dann doch ein bißchen feige und realitätssinnig. bk

Kino 46, nur drei Mal, nämlich So + Di 18.30 h, Mo 20.30 h

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