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Dem Todesdoktor droht die Todesstrafe

Weil er vor laufender Kamera einem totkranken Patienten auf dessen Wunsch eine tödliche Spritze verabreichte, steht Jack Kevorkian in den USA vor Gericht. Die Anklage lautet: Mord  ■   Aus Washington Peter Tautfest

In einer der letzten Szenen des „Englischen Patienten“ sieht man, wie die Hand des von seinen Verbrennungen entstellten Patienten über den Nachttisch reicht und erst eine, dann zwei, dann mehrere Ampullen zusammenschiebt. Die Krankenschwester, die dabei ist, ihm seine tägliche Morphiuminjektion zu geben, versteht. Unter Tränen und mit zitternden Händen zieht sie eine Überdosis auf. Kaum jemand sympathisierte bei dieser Szene nicht mit dem Sterbenden und seiner Krankenschwester.

Die US-amerikanische Öffentlichkeit bekam letztes Jahr einen ganz ähnlichen und doch ganz anderen Film zu sehen. Dieser Tage hat er ein gerichtliches Nachspiel. Am 22. 11. strahlte der Fernsehsender CBS einen Videofilm aus, den der in der Öffentlichkeit als „Doctor Death“ bekannte Arzt Jack Kevorkian bei seiner Beihilfe zum Sterben gemacht hatte. Der Mann fragt den an einer fortschreitenden Lähmung erkrankten 52jährigen Thomas Youk, ob er wirklich fortfahren solle. Auch er zieht eine Spritze auf und injiziert dem unheilbar Kranken ein tödliches Giftgemisch. Nach wenigen Minuten beugt er sich über seinen Patienten und konstatiert sachlich, daß der tot ist.

Die Empörung über die Ausstrahlung war groß. Die Justiz des Bundesstaates Michigan ließ Kevorkian, der eigenen Angaben zufolge seit 1990 in 130 Fällen Sterbehilfe geleistet hatte und deswegen bereits viermal vor Gericht stand, verhaften. Seit vergangenem Montag muß sich Kevorkian zum fünften Mal vor Gericht verantworten, und diesmal sieht alles nach einer Verurteilung wegen Mordes aus.

In allen bisherigen Fällen hatte Kevorkian für seine Patienten einen Selbstmordapparat gebaut, den diese mit einem Tastendruck auslösen konnten. Doch diesmal hatte er selber das Gift injiziert. In den bisherigen vier Fällen wurde Kevorkian der Beihilfe zum Selbstmord angeklagt, diesmal aber wegen Mordes.

Sterbehilfe ist eine der Fragen auf Leben und Tod, die in den USA heftig diskutiert werden. 1997 fällte das oberste Bundesgericht dazu ein Urteil. Ein Patient in New York hatte gegen ein Gesetz geklagt, das Beistand zum Selbstmord verbot, und ein Recht auf den Tod eingeklagt. Dieses hatte das US-Verfassungsgericht in einem aufsehenerregenden Urteil bestritten – aufsehenerregend, weil jeder der neun Richter seine eigene Urteilsbegründung formulierte. „Jeder von uns wird irgendwann mit der Krankheit zum Tod konfrontiert, der eigenen oder der eines Verwandten“, schrieb Sandra Day O'Connor. „Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß der demokratische Prozeß nicht die richtige Balance finden wird zwischen den Interessen unserer Todkranken, die ein Ende ihrer Leiden suchen, und der Pflicht des Staates, jene zu schützen, die irrtümlich oder unter Druck ihr vorzeitiges Ende suchen.“ Damit lehnte das Gericht die Beendigung der Diskussion ab und wollte es den einzelnen Bundesstaaten überlassen, Lösungen zu finden.

Jack Kevorkian, der sich in seinem Schlußplädoyer mit Martin Luther King verglich, hat angekündigt, im Falle seiner Verurteilung in den Hungerstreik zu treten. Wie immer das Urteil ausfällt, es dürfte der Debatte um Sterbehilfe neuen Auftrieb geben.

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