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Ufos vor Felswänden

Ein Bus, der über Abgründe rast! Dafür braucht man Hard- und Software: Digitale Bildgestaltung und -erzeugung sind das Herzstück des neuen Babelsberger „fx.Center“  ■ Von Cristina Nord

„Die Medienlandschaft Babelsberg und das Land Brandenburg haben eine neue Attraktion“, freute sich Erhard Thomas am vergangenen Freitag, wenige Stunden bevor das Babelsberg fx.Center offiziell eröffnet wurde. Einen „multimedialen Urknall“ verspreche sich der brandenburgische Staatssekretär zwar nicht – dazu sei die Konkurrenz in Köln, München, London und Los Angeles zu groß –, wohl aber ein „innovatives Konzept im Bereich der digitalen Medien“. Man habe „den Fuß in die Zukunft gestellt“.

Der Fuß in der Zukunft besteht aus einem fünfstöckigen, von dem japanischen Architekturbüro Shin Takamatsu entworfenen Gebäude, das auf dem Gelände des Filmparks Babelsberg errichtet wurde. Auf fast 4.000 Quadratmeter Grundfläche findet sich dort alles, was es zur digitalen Bearbeitung von Bildern und Tonspuren braucht. Denn damit eine Filmfigur wie Forrest Gump einem längst verstorbenen US-Präsidenten die Hand schütteln kann oder ein Bus über Abgründe rast wie in „Speed“, ohne daß das Publikum der Tricks gewahr würde, bedarf es technologischen Sachverstands und einer ganzen Menge Hard- wie Software. „Die Digitalisierung wird unseren Beruf verändern“, konstatierte denn auch Peter Fleischmann, einst Filmemacher („Jagdszenen aus Niederbayern“) und heute Vorsitzender des Babelsberger Filmparks. Mit dem fx.Center (das rätselhafte „fx“ steht übrigens für Effects) sei man für diesen Paradigmenwechsel gerüstet.

Das hat man sich über 100 Millionen Mark kosten lassen, wovon der größte Teil des Geldes (93 Millionen Mark) aus Fördertöpfen der EU und des Landes Brandenburg stammt. Kernstück der Anlage ist ein Großrechner, an den jedes der Büros und Studios angeschlossen ist. Sobald der Schutz der Datenmassen gewährleistet ist, sollen seine Kapazitäten allerdings auch solchen Multimediaunternehmen offenstehen, deren Sitz nicht im Hause ist.

Daneben gibt es Studios für Spezialeffekte und Originaltonaufnahmen, ein Labor, in dem das Wiedergabemedium Digital Versatile Disc (DVD) erprobt und weiterentwickelt werden soll, Bildbearbeitungssysteme für die Postproduktion, Soft- und Hardware zur digitalen Filmrestaurierung sowie Computerprogramme zur Herstellung von Animationsfilmen. „Company b“, das größte der im Hause ansässigen Multimediaunternehmen, hat sich mit solchen Programmen an der Produktion von „Werner III“ beteiligt – wobei das bisher nur in den USA eingesetzte Verfahren zur Zeit noch sehr aufwendig ist. Ein ganzes Jahr hat es gedauert, bis die anderthalb digital hergestellten Minuten des im Sommer startenden Zeichentrickfilms fertig waren.

Außer company b, deren Geschäftsführer Godfrey Pye das fx.Center am vergangenen Freitag als „einzigartigen Ort“ pries, werden 15 kleine und mittelständische Unternehmen in Babelsberg tätig sein. Eine Multimedia-Agentur gehört dazu und ein Software-Entwickler, eine Zeichentrickfilmproduktion und ein Redaktionsbüro für Fernsehnachrichten. In dieser Vielzahl liegt ein Unterschied zu vergleichbaren Einrichtungen in den USA, wo sich die Majors ihre eigenen Studios bauen und ausstatten. Hierzulande hoffen die Betreiber auf vielfältige „Synergieeffekte“ und auf eine zunächst regionale, später europaweite Vernetzung per Breitbandkabel.

Bei all dem Elan, den Fleischmann, Frye und ihre Mitstreiter anläßlich der Eröffnung des fx.Centers spüren ließen, blieb eine Sache unerwähnt: Wer noch immer daran glaubt, daß Bilder in der Lage wären, die Wirklichkeit zu repräsentieren, sollte seinen Glauben besser aufgeben. Denn wenn der Computer einen ermordeten US-Präsidenten zu neuem Leben erweckt oder – wie es eine kurze Demonstration der Software veranschaulichte – Eisbären ins All bzw. Ufos vor Felswände zaubert, spätestens dann sollte man keinem Bild mehr trauen.

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