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Urlaubsverbot!

Betriebsrat will Urlaubssperre für den Chef: Der ist ein renommierter Arbeitsrechtler  ■ Von Heike Haarhoff

Sein Engagement als Anwalt ist grenzenlos: Ob Knebelverträge, betriebsbedingte Kündigungen oder sexistisches Mobbing durch den Chef – Klaus Bertelsmann, der wohl versierteste Arbeitsrechtler Hamburgs, focht vor Gericht bislang noch jedes Verfahren für seine gebeutelte Klientel durch. Knauserige Firmenbosse hatten nichts zu lachen, wenn Bertelsmann in seinem gefürchteten Lederwesten-Outfit der Arbeiterklasse und mit sprachlich spitzfindigen Schriftsätzen die langen Gänge des Arbeitsgerichts entlanggestapft kam. Doch das Bild, das Bertelsmann über Jahre in der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten versuchte, war wohl nichts als Schein.

Ausgerechnet der Betriebsrat der Rechtsanwaltskanzlei „Bertelsmann und Gäbert“ zieht jetzt gegen den eigenen Chef vors Arbeitsgericht Hamburg: Im Eilverfahren soll dort heute der „Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung“ verhandelt werden. Betriebsrätin Mechthild K. will unter Androhung von Ordnungshaft verhindern, daß ihr Boß Bertelsmann „in den Monaten April 1999 bis Dezember 2000 ohne Zustimmung des Betriebsrates einseitig seinen Urlaub nimmt“.

Denn, so die Betriebsrätin: „Das Maß ist voll.“ Bertelsmann und sein Kompagnon Jens Gäbert, heißt es in K.s Antragsbegründung, weigerten sich seit längerer Zeit, mit KollegInnen „ihre Urlaubsplanung abzusprechen“. Dies verstoße nicht nur gegen die Betriebsvereinbarung. „Sie überziehen chronisch den Jahresurlaub in beträchtlichem Umfang, sie legen eigenmächtig ihre Urlaubszeiten auch in Zeiten, in denen bereits zwei Rechtsanwälte/innen ihren Urlaub eingereicht haben, und sie fahren sogar beide zur gleichen Zeit in Urlaub.“

Bertelsmann – ein sonnenhungriger Ausbeuter? Bei seinem Betrieb, so führt Betriebsrätin K. weiter aus, „handelt es sich um ein berüchtigtes Fachanwaltsbüro für Arbeitsrecht“. Der „Betriebszweck“ sei, und das könne „als gerichtsbekannt unterstellt“ werden, „das Quälen und Schikanieren von Arbeitgebern in ganz Norddeutschland“.

Doch während Bertelsmann und Gäbert „bei Verfolgung des Betriebszweckes nicht zuletzt aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Quälgeister eine herausragende Rolle“ einnähmen, verstießen sie intern „grob gegen ihre Fürsorgepflichten“: Ihre ständige Abwesenheit führe „regelmäßig zu schwersten Erschütterungen“ der Klientel. „Nervenzusammenbrüche, Existenzkrisen und Weinkrämpfe erschüttern die Telefonleitungen und zerren an den Gemütern der Beschäftigten.“

Insbesondere bei Bertelsmann hätten sich „Berufs- und Freizeitleben bereits von Anbeginn an vermischt“. Deutlichster Ausdruck sei „die notorisch anstößige Arbeitskleidung“. Sie bestehe „jahrein, jahraus aus einem abgetragenen, schlabbernden, westenähnlichen Umhängsel mittlerweile undefinierbarer Farbe“. So vermittele Bertelsmann „permanent und penetrant den Eindruck, nicht auf Arbeit, sondern im Urlaub zu sein“.

Damit nicht genug: Bertelsmann führe „regelmäßig gefahrengeneigte Risikoreisen“ durch, die er „aufgrund des schleppenden Ganges der Gerichtsmühlen im Alltag nicht mehr zu finden vermag“. So wäre er bei der Ersteigung des Berges Sinai „ohne Mitführung der üblichen Wasserreserven elendiglich verdurstet“, hätten nicht zwei „rüstige schweizerische Bergziegen die ihrigen mit ihm geteilt“. Bei seinem letzten Amerikatrip habe er sich „nachts, barfuß“ im Death Valley unter Klapperschlangen begeben. Beim Pferdetrekking in der Provence „bestand er auf der Wahl eines unberechenbaren Mustangs“. Und schließlich habe er sich unlängst „in den trüben Tiefen des Nils auf Wettkraulen mit Krokodilen“ eingelassen. Als Beweis dienen handgeschriebene Postkarten, die Bertelsmann aus dem Urlaub an seine Untergebenen schickte. Solcherlei Risikourlaube, so die Betriebsrätin, gefährdeten jedoch die Existenz des Büros und seiner zur Zeit 17 Arbeitsplätze.

Obgleich „der Verfügungsanspruch in Literatur wie Rechtsprechung umstritten“ sei, drängt die Betriebsrätin darauf, Haft gegen Bertelsmann anzuordnen, denn dieser plane bereits seinen nächsten Abflug: Unlängst habe er sich „nach einem Kurztrip in die USA für den 31. März 1999 erkundigt“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit versuche er sich damit bloß „den Beileidsbezeugungen zu seiner persönlichen 50-Jahr-Feier zu entziehen“.

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