: „Schröderplan für den Balkan“
Wirtschaftshilfe soll Greuel in der krisengeschüttelten Region stoppen ■ Gastkommentar von Ex-Senator Horst-Werner Franke (SPD)
Wer könnte schon dagegen sein, die Verbrechen jeder Seite zu verurteilen. Wer hat schon ein gutes Gewissen bei Angriffskriegen ohne UN-Mandat. Und deutsches Militär im Einsatz auf den Kriegsschauplätzen Hitlers muß uns entsetzen. Warum also nicht bei denen unterschreiben, die gegen unsere Beteiligung am Krieg in Jugoslawien sind? Wir Linken haben unser politisches Leben lang die Proteste gegen das Unrecht in dieser Welt unterschrieben. Unsere Proteste sind Leerformeln gegen Gewalt und Unterdrückung, solange sie den Mächtigen nichts anderes sagen, als daß sie aufhören sollen. Glauben wir wirklich, mit dem Ende der Militärschläge hörte Milosovic mit den ethnischen Säuberungen auf? Die Greuel und Massaker an anderen Volksgruppen sind Bestandteil seiner Politik seit langem und uns allen sattsam bekannt. Unser linker Schrei, den Wahnsinn zu beenden, beruhigt uns und bewirkt nichts. Natürlich steht dann noch am Ende dick gedruckt die Aufforderung an die Bundesregierung, „sich verstärkt für eine politische Lösung des Konfliktes einzusetzen“. Solcher Allgemeinplätze bin ich überdrüssig. Solche Aufforderungen an die Regierung, gut zu handeln und niemandem zu schaden, beruhigen mein Gewissen nicht mehr.
Daß das ethnische Konglomerat auf dem Balkan nicht mit Luftschlägen zu ordnen ist, geht allmählich auch denen auf, die Tarnkappenbomber für weiterentwickeltes Polizeigerät halten, dessen Erprobung dem gesetzestreuen Teil der Menschheit diene. Wenn also die SPD als Regierungspartei sich nicht in die Gemeinplätze von verstärkten diplomatischen Bemühungen flüchten will, muß sie die Bundesregierung auffordern, endlich das zu tun, was schon längst hätte getan werden müssen: So wie Westeuropa nach dem letzten Weltkrieg durch den Marshallplan aus der Katastrophe geführt worden ist, braucht die Balkanregion ein sehr konkretes, sehr großzügiges und sehr wirkungsvolles wirtschaftliches Hilfsprogramm. Der EU-Ratsvorsitzende könnte einen Schröderplan für den Balkan vorschlagen, der keine Augenwischerei sein darf, sondern der den Westen und natürlich die Deutschen einiges kostete. Wer den Finanzstreit der Europäer in Berlin erlebt hat, kann mit Recht daran zweifeln, daß Europa dazu fähig ist. Die gegenwärtige Ratspräsidentschaft muß hier das Beispiel liefern. Natürlich kostet das Opfer und verlangt unser aller Geld. Es mag irre vorkommen, jetzt nicht nur Mazedonien und Albanien, sondern auch Milosovic wirkungsvolle Wirtschaftshilfe anzubieten. Viel Geld aber ist die einzige Alternative zu viel Militär. Wer der schwachen Demokratie in Serbien aufhelfen will, muß schnell wirkungsvolle Wirtschaftshilfe bringen. So allein gewinnt die Opposition in Serbien die nötige Bewegungsfreiheit, und können die ethnischen Säuberungen gestoppt werden. Selbstredend ist der Marshallplan für den Balkan an den Aufbau der Friedensordnung gekoppelt.
Dafür die SPD zu gewinnen, macht Sinn, obwohl die Unterschriften zögerlich kommen werden. Sollen wir für die Idioten da unten auch noch zahlen? Mögen sie sich umbringen, wenn sie Lust dazu haben, wird es an den Stammtischen heißen. Und Bonn wird uns für verrückt erklären, einer Regierung im Verschiß noch so etwas aufzuhalsen. Aber Serbien soll eben nicht sterbien. Dazu bedarf es mehr als der Forderung nach verstärkten diplomatischen Bemühungen.
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