: Nach den Bomben Bodentruppen?
■ Kein Raum für Politik: Primakows Mission ist gescheitert. Die Logik des Nato-Kriegsplans fordert die Verstärkung der Bombenangriffe. Phase 3 der Operation „Allied Force“ beginnt. Doch in der Logik des Krieges könnte auch der Einsatz von Bodentruppen in naher Zukunft liegen. Noch dementieren das die verantwortlichen Politiker der Allianz.
Angesichts der absehbaren Erfolglosigkeit ihrer siebentägigen Luftangriffe auf Ziele in Restjugoslawien hat die Nato in der Nacht zum Mittwoch den Beginn der dritten Eskalationsphase ihrer Operation „Allied Force“ beschlossen. Seit gestern können die alliierten Bomber auch Regierungsgebäude in Belgrad angreifen. Zugleich sind aus mehreren Nato-Staaten verstärkte Forderungen nach einer Intervention mit Bodentruppen zu hören.
Offiziell hält die Nato weiter an den beiden zu Beginn der Luftangriffe am 24. März erklärten Zielen fest, Restjugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic zum Stopp der Offensive seiner Armee-und Polizeikräfte gegen die Albaner im Kosovo zu bewegen sowie zur Unterzeichnung des Autonomieplans von Rambouillet. Für beides gibt es weiterhin keinerlei Anzeichen. Zudem ist das Ramboulliet-Abkommen nach den Entwicklungen der letzten sieben Tage praktisch tot.
Innerhalb der Nato kommt es in Folge des bisherigen Scheiterns zu immer deutlicheren Differenzen. Der Nato-Rat entschied sich in der Nacht zum Mittwoch für die Einleitung der Phase 3, doch ohne zugleich Angriffe auf sämtliche im Oktober für diese Phase für möglich erklärten Ziele zu beschließen. Diesem Beschluß war eine stundenlange, kontroverse Diskussion vorausgegangen. Die Liste der bisherigen Luftangriffsziele wurde um 20 Prozent erweitert. Die USA sowie der Nato-Oberkommandierende General Wesley Clark, hatten zuvor eine weit stärkere Ausweitung gefordert. Mehrere andere Länder – darunter Griechenland und Italien – äußerten Bedenken. Und selbst Nato-Generalsekretär Javier Solana erklärte, er sei nicht überzeugt, daß die Zeit für die Einleitung der Phase 3 bereits gekommen sei.
Zur Frustration im Nato- Hauptquartier trägt bei, daß die Luftabwehr Restjugoslawiens nach wie vor einen für die Nato- Militärs überraschend hartnäckigen Widerstand leistet. Daher konnte die erste Phase der Luftangriffe mit dem Ziel der völligen Ausschaltung der Luftabwehr noch nicht abgeschlossen werden. Die Nato verfügt noch nicht über die Lufthoheit.
Dieser Umstand sowie schlechtes Wetter behindert die am Sonntag begonnene zweite Eskalationsphase der Angriffe auf Waffen und Einrichtungen der an der Offensive gegen die Albaner im Kosovo beteiligten Armee- und Polizeikräfte erheblich. Ein hochrangiger Nato-Offizieller im Brüsseler Hauptquartier äußerte „erhebliche Zweifel, daß wir diese Offensive stoppen können“.
Für einen zumindest begrenzten Einsatz von Bodentruppen sprachen sich mehrere US-Militärkommendeure aus, darunter US-General George Joulwan, Clarks Vorgänger als Nato-Oberkommandierender. In wenigen Tagen ließe sich eine Truppe von 30.000 bis 40.000 Soldaten zusammenstellen mit dem Auftrag, innerhalb des Kosovo eine Sicherheitszone zu schaffen, in der Kosovo-Albaner Schutz vor den serbischen Armee- und Polizeikräften finden könnten. Für die Bildung dieser Truppe könnten unter anderem die 12.000 bereits in Makedonien stationierten Nato-Soldaten herangezogen werden, US-Marines von Kriegsschiffen in der Adria sowie US- Einheiten der SFOR-Truppe in Bosnien-Herzegowina.
Die Nato-Militärs erstellten im letzten Herbst Planungen für die Option einer Intervention mit Bodentruppen mit dem Ziel einer Besetzung und Kontrolle des gesamten Kosovo. Dafür seien 200.000 Soldaten erforderlich, heißt es in dem internen Dokument. Die Aufstellung einer solchen Truppe werde mehrere Wochen dauern. Das größte logistische Problem wäre der Stationierungsort für diese Truppe vor der eigentlichen Intervention in den Kosovo und ihre Transportwege in die südserbische Provinz. Es gibt nur 14 Zugangsstraßen in den Kosovo, davon nur zwei aus Makedonien, das ein günstigeres Gelände für die Aufstellung und den Transport einer 200.000 Mann starken Truppe böte als Albanien. Doch viele dieser 14 Zugangsstraßen sowie der Brücken, über die sie führen, wurden inzwischen von der serbischen Armee vermint.
Zudem hat Makedonien bislang entschieden abgelehnt, sich der Nato als Aufmarschgebiet für eine Intervention im Kosovo zur Verfügung zu stellen. Die Regierung in Skopje erteilte lediglich die Zustimmung zur Aufstellung einer Truppe, die nach der Unterzeichnung eines Abkommens durch Belgrad und die Albaner und mit Zustimmung beider Konfliktparteien im Kosovo stationiert werden soll.
Andreas Zumach, Genf
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