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Dampflok-Phantasien im Baumhaus

■ Wenn der Traum ein Bild wird, ist der Traum kein Traum mehr: „Die Lok“ – der Kinderfilm des Monats April – sucht das Abenteuer

Früher, da gab es noch keine Gangs. Oder es gab sie, aber sie hießen Banden. Man mußte in einer sein und dann hetzte man ziellos über den Schulhof auf der Suche nach einem Abenteuer oder irgend etwas, das sich wie ein Abenteuer anfühlte. Auch wenn man davon, wie sich ein Abenteuer anfühlte, keine exakten Vorstellungen hatte. Wer auf dem Lande aufwuchs, konnte wenigstens Baumhäuser bauen. Doch irgendwann war auch das Baumhaus fertiggebaut, und das Abenteuer passierte immer noch nicht. Und selbst wenn etwas passierte, neben den Sonntagnachmittagsfilmen oder gar dem Kino mußte alles verblassen.

Oft genug wurden praktischerweise solche Phantasien gleich verfilmt. In das Subgenre läßt sich auch „Die Lok“ einordnen, den Gerd Haag 1993 inszenierte.

Manchmal macht es einfach keinen Sinn

Hier haben wir: zwei Mädchen, drei Jungs, also eine fast durchquotierte Gang; eine verlassene Industriehalle; einen geheimnisvollen Fremden; und einen Plan, nach Sibirien abzuhauen. Kurz: ein Kindertraum.

Aber wahrscheinlich gehören solche Träume eh einer Generation, die lange schon viel zu alt zum Träumen geworden ist. Nicht zu alt sind sie immerhin zum Filmemachen und lassen die Kinder teilweise sprechen, als würden sie Erwachsene imitieren, die sich wiederum an Dialogen aus Western orientiert haben. Manchmal macht es auch einfach keinen Sinn, was da gesagt wird: „Vielleicht ist er wirklich ein Verbrecher“, wird spekuliert über den von Rolf Hoppe gespielten Alten, der versucht, die titelgebende Dampflok zu reparieren. Die Antwort: „Quatsch, der ist Einzelgänger.“

Ansonsten schwankt „Die Lok“ zwischen ihrem altmodischen Ansatz und dem Versuch, diesen zeitgemäß umzusetzen. So hat die Gang zwar ihren Computerspezialisten, der noch jedes Problem im Internet löst, aber fürs Basteln und Schweißen sind ausschließlich die Jungs zuständig. Die Mädchen dürfen mal einen Pinsel in die Hand nehmen, aber sonst bleibt ihnen doch wieder nur das Zwischenmenschliche vorbehalten und die Kommunikation mit der Außenwelt.

Ansonsten schwankt die Dampflok

Wirklich obskur allerdings ist die Rolle der Eltern. Eine Mutter meckert, ein Vater verpflichtet den Sohn zur Fronarbeit, ein Bruder prügelt, der Rest der Familien rückt erst gar nicht ins Bild. Trotzdem dienen sie als Motiv für den Fluchtplan der Kinder, doch die offensichtlich problematischen Eltern-Kind-Verhältnisse werden bis zum Schluß weder erklärt noch gelöst, sondern in einem schier endlosen action-geladenen Showdown ertränkt.

Wie das so geht: Wenn Träume plötzlich ins Bild gesetzt werden, wirken sie plötzlich gar nicht mehr träumerisch. Thomas Winkler

Ab dem 6. April tourt „Die Lok“ durch Berliner Kinos.

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