: Libyen übergibt Verdächtige
■ Das Ende der Lockerbie-Affäre ist in Sicht. Gestern flogen die mutmaßlichen Attentäter in die Niederlande. Dort soll ihnen der Prozeß gemacht werden - nach schottischem Recht
Tunis/London (rtr/dpa/taz) – Über zehn Jahre nach dem Bombenanschlag auf ein US-amerikanisches Verkehrsflugzeug über Schottland hat Libyen gestern die zwei Hauptverdächtigen der UNO ausgeliefert. Nach Angaben des niederländischen Justizministeriums wurden die Männer in die Niederlande ausgeflogen, wo ihnen der Prozeß nach schottischem Strafrecht gemacht werden soll.
Die beiden Überstellten – nach britischen und US-amerikanischen Angaben Mitarbeiter des libyschen Geheimdienstes – werden verdächtigt, eine Bombe an Bord eines Pan-Am-Flugzeugs geschmuggelt zu haben. Beim Absturz der Maschine am 21. Dezember 1998 über dem schottischen Ort Lockerbie starben 270 Menschen. Die Auslieferung beendet einen jahrelangen Streit Libyens mit den USA und Großbritannien, die ursprünglich auf einem Prozeß in einem ihrer Länder bestanden hatten.
Libyen weigerte sich, Abdel Basset al-Megrahi und al-Amin Chalifa Fahima auszuliefern. Die UNO verhängte daraufhin 1992 Sanktionen gegen das Land. Dazu gehörten ein Flugverbot nach Libyen sowie das Einfrieren libyscher Guthaben im Ausland. Die USA und Großbritannien verzichteten erst auf eine Auslieferung, nachdem der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi einem Prozeß in den Niederlanden zugestimmt hatte. Gaddafis Schritt ist risikoreich: Al-Megrahi und Fahima gehören zu zwei einflußreichen Stämmen, die die Macht des Obersts gefährden könnten. Gaddafi hatte dem Kompromiß erst zugestimmt, nachdem sich Vermittler, darunter Saudi-Arabien und der südafrikanische Präsident Nelson Mandela, eingeschaltet hatten.
Diplomaten in der libyschen Hauptstadt Tripolis berichteten, daß die beiden Verdächtigen gestern morgen auf dem Flughafen einer UNO-Abordnung übergeben worden seien. Der UNO- Rechtsvertreter Hans Corell begleitete die beiden Libyer. Ausländische Regierungsvertreter hätten als Zeugen beigewohnt.
Nach der Ankunft der beiden Libyer in den Niederlanden sollte UNO-Generalsekretär Kofi Annan den UNO-Sicherheitsrat in New York schriftlich informieren. Damit werden die Sanktionen gegen Libyen ausgesetzt.
Der britische Außenminister Robin Cook bezeichnete die Überstellung der beiden mutmaßlichen Attentäter als „historischen Moment“. „Das ist das Ende eines zehnjährigen diplomatischen Patts“, sagte er. „Es rechtfertigt die Initiative, die wir im vergangenen Jahr für einen Prozeß in einem Drittland ergriffen haben.“
Erleichtert äußerten sich auch Angehörige der Menschen, die bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren. Jane Swire, die ihre Tochter verlor, sagte: „Das ist wenigstens mal eine gute Nachricht für die Welt. Leute, die so schrecklicher Verbrechen angeklagt sind, werden zur Rechenschaft gezogen.“
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