: Brot und Bomben für das Kosovo
■ Zwei Wochen nach Beginn der Nato-Attacke sind über 400.000 Kosovo-Albaner in den völlig überforderten Nachbarländern eingetroffen. Aufnahme der Deportierten in der Europäischen Union bleibt unklar
Berlin (taz/dpa) – Hunderttausende vertriebene Kosovo-Albaner bringen die Nato immer stärker in Schwierigkeiten. Die Zahl der über Jugoslawien geflogenen Bombereinsätze steigt laut Nato ständig, während die Serben weiterhin die Bevölkerungsmehrheit vertreiben. Am Ostermontag starteten wieder zahlreiche Militärflugzeuge von Italien aus. Ab sofort wird das Kosovo verstärkt bombardiert. Weil es an der Adria zu eng wird, haben die USA Ostern 12 Tarnkappenbomber F-117 nach Spangdahlem in der Eifel verlegt. Sie werden in den nächsten Tagen zu Einsätzen in Jugoslawien starten. Schon in der Nacht zum Ostermontag flogen britische Tornados von Brüggen am Niederrhein aus los. Damit gehen erstmals seit 1945 wieder Kriegshandlungen von deutschem Boden aus.
Die Nato-Staaten bemühen sich unterdessen weiter, zu einer Einigung über die Versorgung der Flüchtlinge zu kommen. Laut dem UNO-Flüchtlingshilfwerk (UNHCR) sind in den vergangenen zwei Wochen aus dem Kosovo knapp 400.000 Menschen vertrieben worden. „Die Zahl könnte sich in den nächsten Wochen noch verdoppeln“, sagte gestern ein UNHCR- Sprecher in Genf.
Ob und wie viele Flüchtlinge in die Europäische Union kommen dürfen, blieb bis gestern aber trotz vollmundiger Ankündigungen völlig unklar. Bundeskanzler Schröder hatte am Samstag die Aufnahme von deportierten Kosovo-Albanern in Deutschland angekündigt. Die Bundeswehr erhöhte gestern zwar die Zahl der Hilfsflüge mit Schlafsäcken und Hilfsgütern. Die Bundesregierung sei ab Donnerstag in der Lage, Flüchtlinge mit Chartermaschinen nach Deutschland zu holen, erklärte Verteidigungsminister Scharping gestern. Es sei davon auszugehen, daß in Deutschland zunächst 10.000 Menschen aus dem Kosovo Aufnahme finden werden, hieß es im Innenministerium. Sie werden nach dem Schlüssel für Asylbewerber auf die Bundesländer verteilt.
Die USA und die Türkei wollen jeweils 20.000 Deportierte aufnehmen, in anderen Nato-Ländern kommen nach dem gestrigen Stand insgesamt weitere 21.000 unter. Außenminister Fischer erwartet, daß die EU zunächst 100.000 Menschen aus dem Kosovo aufnehmen wird. Zur Beteiligung Deutschlands sagte Fischer gestern: „Wir sind bereit, unseren Anteil als größtes Mitgliedsland zu tragen.“ Kritik an der Aufnahme der Vertriebenen wurde jedoch in Italien, Frankreich und Großbritannien laut. Ähnlich wie der britische Premierminister Tony Blair meinte der französische Außenminister Hubert Vedrine, mit der Aufnahme spiele man nur Slobodan Milošević in die Hände. Es wäre für ihn nur eine Bestätigung, daß seine Politik des Mordens und Vertreibens Erfolg habe.
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