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Desaster Area Bremen

Erst wurde der Chef beseitigt, dann verzichtete der Neue vor dem ersten Arbeitstag. Im Funkhaus von Radio Bremen rettet man sich nun mit Galgenhumor  ■ Aus Bremen Christoph Köster

Auf den Fluren von Radio Bremen (RB) machen sie schon Witze. Seit der gerade erst zum Intendanten des kleinsten ARD-Senders gewählte Michael Schmid-Ospach kurz vor Ostern aus Gesundheitsgründen abgesagt hat, ist Galgenhumor zum Überlebensmittel geworden. Die Aprilausgabe eines Stadtmagazins mit Schmid-Ospach-Porträt kursiert als Lachnummer. Und daß die Hauszeitschrift des WDR, wo der kurzzeitige Bremer Hoffnungsträger als stellvertretender Fernsehdirektor und Kulturchef tätig ist, Schmid- Ospach mit Erfolgswünschen in die Hansestadt verabschiedet, bringt Radio-Bremen-Redakteure gleichfalls zum Kichern.

Doch jenseits des Spaßes kommen vor allem Ratlosigkeit und Wut zum Vorschein: „Das Rathaus hat uns ganz schön in die Bredouille gebracht“, sagt ein Kantinengänger und macht ein zorniges Gesicht dazu.

In der Tat ist das von einer großen Koalition regierte Bremer Rathaus jetzt um eine Panne reicher. Mit aller Macht wollten Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und seine Koalitionäre einen Schlußstrich unter die Ära des Intendanten Karl-Heinz Klostermeier ziehen, der den Sender seit 1985 leitet. Deshalb haben sie im Herbst letzten Jahres eine Novelle des Radio-Bremen-Gesetzes durch die Bürgerschaft gepeitscht, nach der die Amtszeit von Klostermeier und seinen drei Direktoren Hermann Vinke (Hörfunk), Rüdiger Hoffmann (Fernsehen) und Peter Dany (Verwaltung) zum 30. April zum Teil vorzeitig endet.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese „Lex Klostermeier“ akzeptiert hatte, zog auch die Opposition in der Bremer Bürgerschaft ihre Klage dagegen zurück. Eine vom Rundfunkrat eingesetzte Findungskommission trat schließlich zusammen und kürte bald Schmid-Ospach zum einzigen Kandidaten für die Klostermeier- Nachfolge. Bis zu dessen Absage schien alles überraschend glatt zu gehen. Selbst Gespräche mit seinen Wunsch-Direktoren hatte Schmid-Ospach schon geführt. Doch dann ging er, nach eigenen Angaben aus „gesundheitlichen Gründen“. Über andere Gründe wird innerhalb und außerhalb des Senders munter spekuliert. Schmid-Ospach habe ein Problem mit dem Senat bekommen, sagen einige. Er habe das Eigenleben und die desolate Situation von Radio Bremen unterschätzt, sagen andere. Für den Sender jedenfalls ist die Absage ein Desaster.

In den Redaktionen und Studios der beiden labyrinthischen Radio-Bremen-Gebäude wird jetzt eifrig darüber spekuliert, wie es am 1. Mai weitergehen soll. Die Rundfunkratsvorsitzende Roswitha Erlenwein gibt sich optimistisch, noch im April fündig zu werden. „Die Situation ist ziemlich wurschtelig, aber ich bin der Auffassung, daß es in diesem Land viele gute Leute gibt, die das machen wollen“, sagt sie. Doch RB- Mitarbeiter, die sich in der Branche auskennen, spötteln über so viel Zuversicht. Die teilen eher die Meinung des Verwaltungsratsvorsitzenden Thomas von der Vring, der sagt: „Es ist nicht so, daß alle scharf auf diesen Job sind.“ Das Inkrafttreten der Gesetzesnovelle zum 1. Mai sei ein völlig willkürlicher Termin. Von der Vring fordert von Rathaus und Bürgerschaft, den Zeitdruck aus der Sache zu nehmen und die Gesetzesänderung zu verschieben. Doch er wird wohl nicht erhört: „Es gibt keine ernsthaften Anzeichen dafür, die Bürgerschaft noch mal mit dem Thema zu befassen“, wimmelt Senatssprecher Klaus Sondergeld von der Vrings Forderung ab.

Am Freitag wird der Rundfunkrat voraussichtlich wieder eine Findungskommission einsetzen. Daß ein Bewerber aus dem ersten Durchgang – etwa der ARD-New- York-Korrespondent Jürgen Thebrath – dabei zum Zuge kommt, ist zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich. „Unser Hauptkriterium war mehrjährige Erfahrung in der Leitung eines Betriebes, und da war außer Schmid-Ospach niemand dabei“, sagt von der Vring. Wenn das von manchen ersehnte Wunder nicht geschieht, steht der kleinste ARD-Sender ab Mai führungslos da. Für jeden noch so winzigen Streitfall muß ein Gericht dann einen Rechtspfleger einsetzen, selbst wenn es nur um 4,50 Mark nicht gezahlte Rundfunkgebühren geht. Oder aber man bittet die nach von der Vring ziemlich schlecht behandelten Noch-Direktoren, noch ein paar Monate weiterzumachen.

„Das ist nicht das erste, was ich tue“, so die Rundfunkratsvorsitzende Erlenwein. Dagegen erinnert sich Karl-Heinz Klostermeier: „Das hat man mich schon vor Monaten gefragt.“ Doch er verschweigt seine Antwort. „Für mich ist das jetzt ein Déjà-vu-Erlebnis“, sagt er statt dessen. Einst beim NDR habe er eine intendantenlose Zeit schon einmal erlebt. Jetzt will er erstmal abwarten, was der Rundfunkrat macht. „Ich glaube aber nicht, daß der noch mal so lammfromm dem Vorgehen einer Findungskommission zusieht.“ Vor der Wahl Schmid-Ospachs Mitte März sollen einige Rundfunkräte laut darüber gemurrt haben, daß ihnen nur ein Kandidat vorgeschlagen wurde. Die Amateur-Headhunter wollten unbedingt Berliner Verhältnisse vermeiden, wo vor der letzten Intendantenwahl beim SFB die Kandidaten öffentlich zerrupft wurden. Doch das rächt sich jetzt. Deshalb teilen viele bei Radio Bremen die Einschätzung Karl-Heinz Klostermeiers und warten mit großer Spannung auf die Sitzung am Freitag. Schließlich sind Anfang Juni Bürgerschaftswahlen, und der Wahlkampf hat soeben begonnen.

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