: Milošević' Angebot verwirrt Kriegsgegner in der SPD
■ Linke Sozialdemokraten uneins über mögliche Bedingungen für ein Ende der Nato-Angriffe
Aus den Reihen der SPD nimmt der Druck auf die Bundesregierung zu, das Nato-Bombardement im Kosovo zu beenden. Bundes- und Landespolitiker verlangten, die Angriffe sofort zu stoppen. Ihre Haltung ist aber uneinheitlich. Während die einen, wie der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, einen bedingungslosen Waffenstillstand fordern, wollen andere, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gernot Erler, nicht ganz auf Bedingungen verzichten.
Zum Bundesparteitag der SPD am 12. April in Bonn sind zahlreiche Anträge zur Beendigung des Krieges in Vorbereitung. Der Bremer Landesvorstand forderte in einem einstimmig gefaßten Beschluß die Bundesregierung auf, „auf die Nato mit dem Ziel der unverzüglichen Einstellung der Kampfhandlungen einzuwirken“. Die jetzige Lage im Kosovo führe zu „schwerster Gefährdung des Friedens in Europa und der Welt“. Das Votum soll als Antrag beim SPD-Bundesparteitag am 12.April in Bonn beraten werden. Auch die Parteilinken der Bundestagsfraktion wollen einen Antrag stellen, dessen Inhalt wohl erst am Abend vor dem Parteitag endgültig festgelegt wird.
Der Sprecher der Parteilinken des „Frankfurter Kreises“, Detlef von Larcher, sagte, der Antrag umfasse den sofortigen Bombenstopp, die Forderung nach einer von UNO und OSZE initiierten Regionalkonferenz mit allen Balkanstaaten sowie umfassende humanitäre Hilfe für Vertriebene und ihre schnellstmögliche Rückkehr in das Kosovo.
Gernot Erler, der auch zum Frankfurter Kreis gehört, sagte, es werde kein Antrag mehrheitsfähig sein, der die Forderung enthalte, die Bombenangriffe der Nato bedingungslos zu stoppen. Schließlich dürfe man nicht die Augen vor der Vertreibung der Kosovo-Albaner verschließen. Auch der von Milošević angebotene „einseitige Waffenstillstand“ sei kein Grund gewesen, mit den Bombardements aufzuhören. „Man stelle sich vor“, sagte Erler, „die Angriffe auf die Panzer Milošević' werden ausgesetzt und danach werden Bilder verbreitet, wie die Vertreibung der Kosovo-Albaner fortgesetzt wird.“ Erler zufolge sollte der Nato-Angriff so lange dauern, bis sichergestellt sei, daß die „Entvölkerungspolitik“ Milošević' gestoppt werde.
Die Bundestagsabgeordnete und Juso- Vorsitzende Andrea Nahles befürwortet dagegen einen sofortigen Waffenstillstand. Nahles bezog sich dabei auch auf Milošević' Waffenstillstandsangebot von Dienstag. „Man hätte dieses Angebot zumindest auf seine Ernsthaftigkeit prüfen müssen und solange die Angriffe stoppen können“, sagte Nahles. Abgeordnete wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Müller sind dagegen unsicher. „War das nun ein cleverer Schachzug von Milošević oder nicht?“ fragt Müller. „Ich kann es nicht sagen.“ Alle redeten von politischen Lösungen – „aber was passiert denn?“
Der Parteilinke Hermann Scheer plädiert für einen sofortigen Stopp der Nato-Angriffe. „Solange die Nato die Einstellung der Bombardierung allein vom Einlenken der jugoslawischen Staatsführung abhängig macht, überläßt sie diesem das Gesetz des Handelns mit möglicherweise uferlosen Folgen.“ Als unverantwortlich bezeichnet Scheer die Forderung der Nato auf Erfüllung des Rambouillet-Friedensvertrages. Er weist auf einen Anhang des Vertrages hin, in welchem zur Absicherung des Friedensprozesses ein ungehinderter Zugang der Nato in ganz Jugoslawien und nicht nur im Kosovo niedergelegt worden sei. Diese Bedingung, so Scheer, hätte selbst eine demokratisch gewählte, gemäßigte jugoslawische Regierung nicht unterschreiben können.
Auch Erler hält es für falsch, an der Erfüllung des Rambouillet- Vertrages festzuhalten. Er nennt aber einen anderen Grund. Niemand könne sich jetzt mehr vorstellen, so Erler, daß die Kosovo- Albaner unter serbischer Herrschaft leben könnten, wie es ursprünglich beabsichtigt worden war. Mit anderen Worten: Unabhängigkeit für das Kosovo statt nur Autonomie. Markus Franz, Bonn
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