: Jobkiller Jugendwahn
■ Jugendprogramm der Bundesregierung greift – alte Arbeitslose gehen leer aus
„Es kann ein irreperabler Fehler sein, sich von seinen älteren Mitarbeitern zu trennen. Die Hoffnung, der Arbeitsmarkt stelle ausreichend qualifizierte und jugendliche Kräfte als Ersatz zur Verfügung, wird häufig enttäuscht.“ Mit großer Sorge analysierte gestern Olaf Koglin, Chef des Hamburger Arbeitsamtes, die „ambivalente Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt“.
Einerseits gehen die Arbeitslosenzahlen – nicht zuletzt auch aus saisonalen Gründen – weiter deutlich zurück: 88.300 Arbeitslose waren Ende März in Hamburg registriert, 6000 oder 6,4 Prozent weniger als im Vorjahresmonat und 2100 weniger als im Februar. Fast 12.000 Menschen nehmen in der Hansestadt derzeit an Beschäftigungsmaßnahmen wie Umschulung, Weiterbildung oder ABM teil, und auch das Ausbildungsprogramm der Bundesregierung für 100.000 Jugendliche in Norddeutschland greift deutlich: 10.000 Menschen unter 25 Jahren haben hier bereits einen Platz gefunden, und die Zahl der Arbeitlosen unter 25 sank in Hamburg 1998 um mehr als 13 Prozent. Bei den über 55jährigen jedoch gab es ganz gegen jeden Trend einen Zuwachs.
Solcherart schleichende Veränderungen der Arbeitsmarktstruktur bereiten Insidern Sorgen. Arbeitsamtschef Koglin beispielsweise kann nicht verstehen, wieso die Unternehmen in Hamburg einerseits verzweifelt nach Fachkräften wie Ingenineuren suchen, andererseits aber jede Gelegenheit nutzen, um ältere MitarbeiterInnen loszuwerden. Selbst UnternehmensberaterInnen schimpfen inzwischen über diese Vernichtung von Erfahrungswissen – nicht zuletzt seit sich immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, daß Wissen die wichtigste Ressource und das wichtigste Potential eines erfolgreichen Unternehmens ist.
Wie aber kommen die von den Unternehmen scheinbar so begehrten Jugendlichen an ihr Wissen? In Hamburg geht die Lehrstellennachfrage mittlerweile deutlich zurück: Zum Teil, weil es immer weniger Jugendliche gibt, vor allem aber auch, weil viele junge Leute vor dem Lehrstellenproblem in eine verlängerte Ausbildung flüchten. Olaf Koglin mit einer Mischung aus Optimismus und Sorge: „Wollen wir mal gucken, was der Sommer bringt...“
Florian Marten
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