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Haider auf Harmoniekurs

Der Chef der rechtsgerichteten österreichischen Freiheitlichen Partei wird Regierungschef in Kärnten. Seine Chancen für die nächsten Nationalratswahlen im Oktober will er sich nicht vermasseln  ■   Aus Wien Ralf Leonhard

Jörg Haider, der Spitzenkandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), ist gestern nachmittag in der konstituierenden Sitzung des Landtages in Kärnten erwartungsgemäß zum neuen Landeshauptmann gewählt worden. Zwar bekam er nur die 16 Stimmen seiner eigenen Partei, doch ermöglichte die christdemokratische ÖVP durch ihre Stimmenthaltung seine Kür im ersten Wahlgang. Zum Dank für diese passive Unterstüztung wurde die mit acht Sitzen kleinste Partei im Landtag mit fetten Kompetenzen in der Landesregierung belohnt: das Ressort Gemeinden/Raumplanung/Landwirtschaft ist mit einem Budget von mehr als 200 Mio. Mark ausgestattet. Die SPÖ, die bei den Wahlen am 7. März die empfindlichsten Verluste einstekken mußte, präsentierte zwar mit Herbert Schiller einen Gegenkandidaten, unternahm aber keine ernsthaften Versuche, diesen tatsächlich in den Posten zu hieven.

Der abtretende Landeshauptmann Christof Zernatto (ÖVP) bescheinigt seinem Nachfolger in einem Interview mit dem Magazin Format, daß er „eine Rolle spielt, die seriöse Partnerschaft in Aussicht“ stellt: „Der Doktor Haider ist in Verhandlungen immer locker und konstruktiv.“ Bei einem kurzen Techtelmechtel nach den Wahlen von 1994 hatte Zernatto die Freiheitlichen noch ganz anders kennengelernt und die fertige Koalition in Panik platzen lassen. Zu den eingefleischten Haider-Verhinderern hat er nie gegehört. Aber auch der Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP) versteht jetzt die Aufregung nicht mehr und will Haider erst einmal arbeiten lassen.

Alles deutet darauf hin, daß Haider, der 1991 wegen seiner lobenden Worte für die „ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ als Landeshauptmann abgesetzt wurde, diesmal einen Harmoniekurs steuern wird. Einen öffentlichen Auftritt vor SS-Veteranen, deren Charakterstärke er kurz vor der Nationalratswahl 1995 pries, wird er kaum riskieren. Schließlich stehen am 3. Oktober die nächsten Nationalratswahlen an. Wenn es ihm in Kärnten gelingt, Tatkraft zu beweisen und auf Provokationen zu verzichten, sind für die künftige Bundesregierung auch andere Optionen als die abgenützte Koalition zwischen SPÖ und ÖVP denkbar.

In Tirol, wo die ÖVP nach einer Neuauszählung im Wahlkreis Innsbruck ein Mandat und damit die absolute Mehrheit verlor, wurde Mitte März 48 Stunden lang ein Pakt mit der FPÖ gesponnen. Landeshauptmann Wendelin Weingartner konnte noch im letzten Moment aus der Wiener Parteizentrale zurückgepfiffen werden. Doch das Tabu ist gefallen.

Das keineswegs Haider-freundliche Nachrichtenmagazin Profil stellt den Titel „FPÖ – na und?“ über das Ergebnis seiner jüngsten Umfrage, wonach 48 Prozent der Österreicher eine Regierungsbeteiligung „sehr“ oder „eher“ begrüßen würden. Tatsächlich finden sich zwischen den Christdemokraten und den Freiheitlichen weit größere Übereinstimmungen als zwischen den derzeitigen Koalitionspartnern. Der NATO-Beitritt und die Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung wären dann einfach durchzusetzten.

Mehr als die freiheitliche Experimentierfarm Kärnten macht den Sozialdemokraten, Linken und Intellektuellen die Aussicht Angst, daß ein solcher Bürgerblock auf Bundesebene die Reformen der Kreisky-Epoche demontieren könnte. In Kärnten wird zunächst die Kulturpolitik der FPÖ auf dem Prüfstand stehen. Eine Gruppe von Künstlern, die die Rückkehr zu den ästhetischen Konzepten des Dritten Reiches fürchtet, hat bereits zum Kärnten-Boykott aufgerufen.

Der christdemokratische Vorgänger: „Der Doktor Haider ist in Verhandlungen immer so locker und konstruktiv“

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