■ Rosi Rolands Bremer Geschichten
: Die Macht der Werbung

Heute muß ich Ihnen aber mal ein Geständnis machen: Ich bin anfällig für Werbung! Der Slogan des Weser-Report (WR) „neuer, besser, gratis“ hat mich ja sowas von neugierig gemacht, daß ich sofort das „Keinen Bremer Anzeiger und keinen Weser Report einwerfen“-Schild vom Briefkasten abgerissen habe. Ein gewisser Axel Schuller, früher Lokal- und Politikredakteur beim Weser-Kurier, soll dem Blatt als neuer Chefredakteur seinen Stempel aufgedrückt haben. Und ein anderes Layout – sagen wir: eine auf hanseatisch bieder getrimmte Mischung aus „Zeitung zum Sonntag“ und „Die Woche“ – wurde der zweimal wöchentlich erscheinenden Anzeigenzeitung schnell verpaßt.

Es soll jetzt richtig Spaß machen, für den WR zu arbeiten, erzählen Leute aus der Redaktion. Richtig seriöser Journalismus sei das jetzt, obwohl sie weiterhin knüppeln müssen, um die ganzen Lokalausgaben zu füllen. Tatsächlich ist der Auftritt des Blattes sehr viel seriöser geworden. Bis auf weiteres vorbei sind Zeiten, wo der WR im Boulevard-Stil Propaganda für die CDU und das Programm des Herausgebers und Konzertveranstalters Klaus-Peter Schulenberg alias KPS gemacht hat.

Bei inhaltlichen Fragen gewährt der als sehr partriarchalisch, manche sagen: diktatorisch geltende Herausgeber KPS seinem neuen Chefredakteur offenbar große Freiheit. So darf der so spannende und massenwirksame Themen wie „Uni erforscht Wahlverhalten“ oder „Bremen-Marketing ohne Brandes?“ zum Aufmacher des Blattes machen. Das ist alles ganz hintergründig, und nur wenige Menschen fragen sich „Who the Fuck is Brandes“ und scheren sich einen Dreck um Wahlen, die Bremer Uni und erst recht um beides zusammen. Inhaltliche Fragen spielen sowieso nur eine Nebenrolle. Entscheidend ist, ob der Anzeigenumsatz gesteigert wird. Denn schließlich muß Schulenberg nicht nur seinen neuen Chefredakteur Schuller bezahlen, sondern auch eine Abfindung für dessen Vorgänger Ronald K. Famulla. Wie teuer KPS der Rausschmiß des Klatschkolumnisten, Fußballreporters und von Fans schmerzlich vermißte Kultschreiber Martin Globisch kommt, wird das Arbeitsgericht noch entscheiden. Doch zumindest aus einer Quelle kommt neues Geld: Das Roland Center ist mit seinen Beilagen schon vom Bremer Anzeiger zum WR gewechselt. Aber es müssen weitere Kunden dazu kommen, wissen die Leute von der WR-Redaktion, sonst ist es mit der neuen Seriösität schnell vorbei.

Und wie reagiert die direkte Konkurrenz Bremer Anzeiger? Wie immer: Sparen, sparen, sparen! So arbeitet der Bremer Anzeiger weiter an seinem Ruf, das zusammengestoppeltste Blatt der Welt zu sein, das man schon bei einer Fahrstuhlfahrt durch einen eingeschossigen Bungalow durchlesen kann. Vielleicht sollte auch der Bremer Anzeiger mal in die Werbeoffensive gehen. Der Slogan könnte „dünner, schneller, umsonst“ lauten, rät Ihre Rosi Roland