Aus Langeweile einfach den Kampfhund losgehetzt

■ Kein Geld, keine Arbeit, ein Pitbull, ein Baseballschläger und jede Menge Alkohol: Zwei Jugendliche stehen vor dem Landgericht, weil sie einen Portugiesen angegriffen haben

Sie sind beide zwanzig Jahre alt, haben keine Ausbildung und keinen Job. Der eine, Mirko H., hat einen dünnen Schnurbart, trägt Jeans und ein Sweatshirt mit Kapuze. Der andere, Alexander B., hat ein kariertes Hemd und Jeans an. Böse oder gar gefährlich wirken sie nicht. Seit gestern müssen sie sich vor dem Landgericht wegen schweren Raubes verantworten. Mirko H. soll am 11. Oktober vergangenen Jahres seinen Pitbull mit den Worten „Faß, faß!“ auf einen Portugiesen gehetzt haben, um ihn zu berauben. Alexander B. soll, einen Baseballschläger drohend in der Hand, zugesehen haben. Der 24jährige Portugiese mußte mit einem Oberschenkelbiß ins Krankenhaus gebracht werden.

Eigentlich kennen sich die beiden Angeklagten gar nicht. Sie hatten sich erst wenige Stunden vor dem Überfall in der Wohnung von Mirko H. im Prenzlauer Berg kennengelernt, wo sie mit einem Kumpel von Mirko H. getrunken hatten. Als der Stoff alle war, verkauften sie einen Computerbildschirm für zwanzig Mark und holten Nachschub. Nach diversen Sixpacks hatte der Dritte im Bunde, der gesondert verfolgt wird, eine Idee, die nur aus Dummheit, Langeweile und Alkohol geboren werden kann: „Es hat sich aus der Runde heraus entwickelt, irgend jemand zusammenzuschlagen“, erzählte gestern Alexander B. mit leiser Stimme. Also machten sich die zwei Angeklagten und der Dritte auf den Weg. Außer Alkohol im Blut hatten sie den Pitbull von Mirko H. und einen Baseballschläger dabei. Daß Mikro H. den Hund erst wenige Tage hatte und daß dieser Befehle befolgte, aber nicht zu stoppen war, wußten sie.

Ihre gestammelten Beteuerungen, daß man nicht geglaubt habe, daß der Vorschlag des Dritten wirklich ernst gemeint sei, brachten die Richterin in Rage. „Und warum hatten Sie dann den Baseballschläger dabei?“ fragte sie Alexander B. „Ich habe mich damit sicher und groß gefühlt“, sagte er mit leiser Stimme. Auch Mirko H. gestand schließlich nach Rücksprache mit seinem Anwalt mit leiser Stimme: „Ich habe den Hund losgelassen, weil ich wollte, daß er auf den Portugiesen losgeht.“ An die Schreie des Opfers, dem Mirko H. eine Halskette abriß und 70 Mark abnahm, will sich keiner von beiden erinnern. Alexander B. erzählte kleinlaut, er habe dem Portugiesen einen Entschuldigungsbrief geschrieben.Auch wenn er „nur“ zugesehen hat, drohen ihm als Mittäter mindestens fünf Jahre.

Für Mirko H. wird dieser Abend im Oktober aber noch schlimmere Folgen haben. Denn ihm wird neben dem schweren Raub vorgeworfen, zusammen mit einem Kumpel etwa ein halbes Jahr zuvor 16 Autos aufgebrochen zu haben. Außerdem soll er dem Kumpel .......ein Glas auf dem Kopf zerschlagen haben, weil dieser die Polizei zu den aufgebrochenen Autos geführt hatte, nachdem die beiden auf frischer Tat ertappt worden waren.

Doch am schwersten wiegt die Tatsache, daß Mirko H. erst einen Monat vor der Tat zu einer zweijährigen Jugendstrafe verurteilt worden war. Er hatte einen alten Mann brutal überfallen. Die Chance, die ihm der Richter damals einräumte, indem er die Strafe mit einer Vorbewährung aussetzte, hat er verspielt. Die Bedingung lautete, daß er sich sechs Monate ruhig verhält. „Ich weiß auch nicht, wie ich so blöd sein konnte“, sagte er gestern. Der Prozeß wird nächsten Freitag fortgesetzt.

B. Bollwahn de Paez Casanova

Alexander B.: „Ich habe den Pitbull losgelassen, weil ich wollte, daß er auf den Portugiesen losgeht.“