: Bequem für kurze Strecken
■ Fahrbericht „Twike“: High-Tech-Ökomobil aus der Schweiz. Der Hersteller hofft auf die ökologisch sensibilisierten Autofahrer. Die Reichweite beträgt bis zu 100 Kilometer
Die Schweiz als Standort der Automobilindustrie – nie gehört? Gut möglich, daß man sich daran wird gewöhnen müssen. Denn im schweizerischen Gelterkinden produziert die Twike AG das gleichnamige Fahrzeug inzwischen in Serie. Die Verkaufszahlen werden zwar noch in Hunderten bemessen, doch von den zweistelligen Wachstumsraten der Firma können andere Manager der Branche nur träumen. Die Twike AG peilt für die nahe Zukunft die Großserie an. Die Nachfrage hat einen Grund: Das Twike gilt als der sparsamste Serien-Pkw der Welt dank konsequenter Leichtbauweise: Mit 220 bis 250 Kilo Leergewicht verbraucht das Elektrofahrzeug nur 4 bis 5 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer – der Energiegehalt eines halben Liters Benzin.
Doch der Elektroflitzer, der in der Ebene problemlos auf 85 Kilometer pro Stunde beschleunigt, ist gewöhnungsbedürftig. Anders als der einstige Marktführer der E-Mobile, der dänische City-El, wird das Twike nicht über ein Lenkrad, sondern über eine Art Joystick gesteuert: Gelenkt, beschleunigt und gebremst wird mit der rechten Hand am Schaltknüppel. Hier kommt seine Entwicklungsgeschichte zum Vorschein: Das Twike ging aus einem Liegefahrrad hervor. Anfangs war der Elektromotor nur Hilfsantrieb, heute ist er der Hauptantrieb. Die Pedale und den Kettenantrieb hat der Zweisitzer sich aber zur Unterstützung des Motors noch erhalten; doch selbst in der Ebene kann beim Anfahren kaum auf den Motor verzichtet werden. Auch der Rücktritt als Zusatzbremse zur Motorbremse und eine Fünfgang-Nabenschaltung für den Tretantrieb erinnern noch an die Historie des Fahrzeugs. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Das Twike ist in Deutschland als Auto zugelassen. Es ist ein Pkw-Führerschein notwendig.
Wer während der Fahrt mitstrampelt (und das kann der Fahrer ebenso wie der neben ihm sitzende Beifahrer), kann den 5-Kilowatt-Asynchronmotor (7 PS) freilich noch unterstützen. Obwohl dieser das gar nicht nötig hat: Steigungen bis 25 Prozent schafft das Twike dank leistungsstarker Nickel-Cadmium-Zellen auch mit 160 Kilo Zuladung ohne Probleme – am Berg ist seine Schweizer Herkunft unverkennbar.
Die Reichweite liegt bei 40 bis 80 Kilometern; wer sparsam fährt, kann in der Ebene auch 100 Kilometer erreichen. Und das genügt: Es soll kein Auto sein, um quer durch die Republik zu fahren. Der klassische Aktionsradius reicht bis zum nächsten Bahnhof. Entsprechend ist die Bequemlichkeit der gepolsterten Schalensitze: Auf Kurzstrecken sitzt man noch komfortabel, für Langstrecken sind die Sitze weniger geeignet.
Erstaunlich gut ist die Straßenlage des dreirädrigen Fahrzeuges: Weil der Schwerpunkt weit hinten auf der fast 1,20 Meter langen Hinterachse liegt, bringt man das Twike nicht zum Kippen. Die Lenkung ist leichtgängig und präzise.
Allerdings ist das Twike nicht billig: 33.500 Mark kostet die Grundausstattung – schließlich ist das Ökomobil ein High-Tech-Produkt, das zudem alles hat, was ein Auto benötigt: Scheibenwischer, Licht, Blinker. Das Chassis besteht aus einer Aluminiumrahmenkonstruktion, die Karosserie ist aus recycelbarem Kunststoff geformt. Auf Wunsch gibt es auch eine Cabrio-Version.
Eine wahre Freude für jeden Technikliebhaber ist der Bordcomputer: Ausgefeilt bis ins letzte Detail übernimmt ein Mikrochip das Batteriemanagement. Beim Abbremsen werden die Batterien mit optimiertem Ladestrom versorgt, so daß sich zwischen 30 und 60 Prozent der Energie wieder rückgewinnen lassen.
Auch der Entladevorgang wird gesteuert: Sinkt die Restkapazität der Batterien unter ein Limit, läßt der Computer nur noch sparsames Fahren zu – der Kavalierstart wird elektronisch vereitelt. Und je nach Temperatur der Batterien schaltet der Prozessor auch die Kühlung zu und optimiert, ebenfalls temperaturabhängig, den Ladevorgang derart, daß die Batterien eine maximale Lebensdauer erreichen. Zudem speichert ein Chip über Jahre die Lade- und Entladezyklen der Energiespeicher. Damit kann der Kundendienst genau feststellen, wie mit den Batterien umgegangen wurde. Die Twike AG sieht die Käufer des Fahrzeugs unter den ökologisch sensibilisierten Autofahrern. Und da die kaum mit Atomstrom durch die Lande flitzen wollen, bietet das Unternehmen auch Beteiligungsmodelle für Solaranlagen an. Erst damit wird das Fahrzeug zum wahren Ökorenner: Jeder Quadratmeter Solarzellen reicht für 2.000 Kilometer im Jahr. Bernward Janzing
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