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„Die Friedensbewegung ist bankrott“

■ Der Schriftsteller Hans Christoph Buch, Unterzeichner eines Pro-Nato-Aufrufs, zur Friedensbewegung und dem Verhältnis zum Militär

taz: Herr Buch, Sie haben zusammen mit anderen Intellektuellen einen Aufruf zur Unterstütztung der Nato unterschrieben (siehe Kasten nebenan). Warum erst jetzt?

Hans Christoph Buch: Die Stimmen der Gegner – gerade aus den Resten der Friedensbewegung – scheinen den Eindruck zu erwecken, als wären sie die Mehrheit hierzulande. Dem wollen wir entgegentreten.

Befürchten Sie nicht, als Hurra- Patriot diffamiert zu werden?

Davor kann man sich nicht schützen. Wir sind ja nicht kriegsbegeistert, sind auch nicht für einen Bodenkrieg der Nato gegen Jugoslawien. Wir schließen aber den Einsatz von Bodentruppen zum Schutz und zur Rückführung der Flüchtlinge nicht aus. Auf diese Unterscheidung lege ich Wert.

Beruht die verspätete Reaktion der Intellektuellen nicht auch auf der Furcht, daß die richtige Position von heute schon morgen die falsche sein kann?

Die prompte Unterstützung der französischen Intellektuellen unter unserem Aufruf zeigt, daß man in anderen Ländern nicht so vorsichtig agiert wie bei uns. Hierzulande gibt es zum Teil hysterische Reaktionen. Wer etwa sagt, wir stünden kurz vor einem 3. Weltkrieg, verbreitet Ängste, aus denen nur Milošević einen Vorteil ziehen kann.

Wer sich wie Sie für Bodentruppen ausspricht, spricht sich dafür aus, daß auch alliierte Soldaten getötet werden.

Moment. Die Option eines Bodenkrieges, wie ich ihn verstehe, beinhaltet nicht den Kampf gegen jugoslawische Verbände. Das würde ich ebenfalls ablehnen. Mir geht es um die Etablierung einer Schutztruppe, möglichst unter Zustimmung der Gegenseite und unter Einbeziehung Rußlands.

Sie sind durch 1968 geprägt. Verstehen Sie diejenigen, die Parallelen zum damaligen Vietnamkrieg erkennen?

Gegenüber einem Bodenkrieg oder einem Anti-Guerilla-Krieg wie in Vietnam hätte ich allerdings Bedenken. Man sollte aber auch nicht immer gleich den Teufel an die Wand malen. Die Chance, daß die Forderungen der Nato erfüllt werden, rückt näher, soweit ich die Nachrichten überblicke und glauben darf. Ein Nachgeben zum jetzigen Zeitpunkt wäre doch ein psychologischer Sieg Milošević', dessen militärische Schlagkraft angeschlagen scheint.

Nochmals zurück zur Friedensbewegung. Prügelt man da nicht auf eine Leiche ein?

Vielleicht. Man soll aber nicht den Eindruck unterschätzen, den die Wortmeldungen aus dieser Ecke in der Öffentlichkeit hinterlassen. Für mich ist die Friedensbewegung in diesem Krieg bankrott. Es kann doch niemand mehr glaubwürdig erscheinen, der in dem Augenblick, wo die Nato versucht, einem Mörder in die Arme zu fallen, lauthals und voll selbstgerechter Empörung von Gewalt spricht. Wer hat denn, bitte schön, die Gewalttätigkeiten angezettelt?

Deutsche Schriftsteller haben aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs ein distanziertes, überwiegend ablehnendes Verhältnis zum Militär. Bahnt sich im Kosovo-Krieg eine neue Beziehung an?

Das weiß ich nicht. Ein Zeichen für die Sprachlosigkeit der deutschen Schriftsteller zeigt sich in der Unfähigkeit des deutschen PEN, sich überhaupt zum Krieg zu erklären, positiv oder negativ. Ich kann nur für mich sprechen. Meine Ängste gegenüber dem Militär sind schon seit langem einer nüchternen Betrachtung gewichen, seitdem ich in den 90ern die Bürgerkriege – in Ruanda, in Tschetschenien, in Bosnien – aus der Nähe beobachtet habe. Dort waren die Mörder eher marodierende Banden, die mit unglaublicher Brutalität agierten. Die Bevölkerung in manchen dieser Länder war froh, wenn ordentliche Militärverbände wie etwa die der UNO für Schutz sorgten. Diese unmittelbaren Erfahrungen haben mein Verhältnis zum Militär verändert. Mit guten Worten allein, das ist meine Erfahrung, ist jenen, die zum äußersten Terror bereit sind, eben nicht zu begegnen. Interview: Severin Weiland

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