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Kind eines Priesters

■ Prozeß gegen einen Journalisten wegen Verleumdung des Erzbischofs eingestellt

Im Verleumdungsprozeß gegen den Bonner Journalisten Bernd Marz hat das Amtsgericht Hamburg das Verfahren gestern eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte dem 46jährigen vorgeworfen, im November 1996 in zwei Zeitungsartikeln – unter anderem in einer Hamburger Wochenzeitung – behauptet zu haben, der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner und der zuständige Prälat hätten von einer bevorstehenden Abtreibung eines von einem Priester gezeugten Kindes gewußt und seien drei Wochen lang untätig geblieben. Das Kölner Landgericht hatte dem Journalisten im Juni 1997 untersagt, seine Behauptungen zu wiederholen.

Nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft in der Hansestadt hätte der Journalist zwar mehr recherchieren müssen. Der Presserat hatte aber nach einer Unbedenklichkeitsprüfung der Veröffentlichung der Artikel zugestimmt. Außerdem sei der Angeklagte in seinen 26 Berufsjahren bislang unbescholten geblieben. Marz hatte seine Auskünfte ausschließlich von der Zölibat-Gegnerin Anne Doerdelmann-Lueg eingeholt, da die Kirche die Auskunft verweigerte.

Lueg hatte ihm erzählt, eine junge Frau sei von einem Priester zum Geschlechtsverkehr genötigt worden, weil er sie erwischt hatte, als sie aus der Sternsingerkasse mehrere hundert Mark klaute. Die damals 16jährige sei schwanger geworden und wollte abtreiben, bestätigte auch Lueg dem Gericht. Das Mädchen hatte sich an Lueg gewandt, die sogleich einen Brief an den zuständigen Prälaten geschrieben hat. In dem hatte sie die Bischofsleitung zu schnellem Handeln aufgefordert, da die Minderjährige abtreiben wolle und suizidgefährdet sei.

Erst drei Wochen später äußerte sich der Prälat zu den Vorwürfen. Das bestätigte er auch in einer Zeugenaussage vor Gericht. Es habe ihm an Eingriffsmöglichkeiten gemangelt; er sei froh gewesen, daß Lueg sich darum kümmere. Drei Tage, bevor Lueg den Brief erhielt, hatte das Mädchen das Kind bereits abgetrieben. lno

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