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Der Krieg spaltet die Deutschen in Ost und West

■ Laut Umfragen sind 68 Prozent der Westdeutschen, aber nur 38 Prozent der Ostdeutschen für die Bundeswehr im Nato-Einsatz. Als Gründe nennt der Soziologe Dietmar Wittich alte Feindbilder und

Der Berliner Soziologe Dietmar Wittich vom Institut für Sozialdatenanalyse (isda) hat im Auftrag der PDS eine eigene Untersuchung über „aktuelle Meinungen zum Kampfeinsatz der Nato in Jugoslawien und zur Beteiligung deutscher Militärs“ geführt. Auch er sieht „erhebliche“ Meinungsdifferenzen zwischen Ost und West.

taz: Wie kommen solche Unterschiede zustande? Sind die Ostdeutschen die wahren Pazifisten?

Dietmar Wittich: Nein, die Skepsis diesem Nato-Einsatz gegenüber ist ein gesamtdeutsches Phänomen. Nach unseren eigenen Untersuchungen ist zum Beispiel nur ein Drittel aller Deutschen dafür, daß die Nato diesen Krieg ohne UNO-Mandat führt.

Woher kommen die Unterschiede zwischen Ost und West?

Die DDR bezog ihre Berechtigung stark aus dem Antifaschismus. Und der Satz: „Nie wieder soll von deutschem Boden ein Krieg ausgehen“, ist bei den Ostdeutschen stärker verinnerlicht.

Klingt wie Propaganda.

Das hat sicher etwas mit Beeinflussung zu tun, aber auch etwas damit, daß der 2. Weltkrieg im Osten Deutschlands tiefere und längere Spuren hinterlassen hat. 50 Jahre nach dem Krieg gibt es in Berlin, Dessau und Dresden immer noch Grundstücke mit weggebombten Häusern, die nie wiederaufgebaut wurden, weil es in der DDR kein Geld dafür gab. Das hat die Menschen geprägt.

Aber Ostdeutsche sind durch Pionierorganisationen, FDJ und Wehrerziehung militärischer erzogen worden als Westdeutsche. Spielt diese Prägung keine Rolle?

Indoktrination bewirkt nicht viel. Das Militär war auch in der DDR nicht sehr beliebt. Wenn man sich von ehemals Wehrpflichtigen erzählen läßt, wie das in den Kasernen abgegangen ist, kann man das verstehen. Und noch ein Argument: 1990 ist das Verteidigungsministerium der End-DDR umbenannt worden in „Ministerium für Abrüstung“. Warum wohl? Weil das genau den Nerv der Menschen getroffen hat.

Hat die Ablehnung des Nato- Einsatzes auch etwas mit alten Feindbildern zu tun?

Ja, unter anderem hat sie etwas mit Feindbildern zu tun. Sie sind aber auch genährt worden durch den Doppelbeschluß der Nato zur Aufrüstung von 1979. Sie können sich vorstellen, wie das wirkt: Man wohnt in Dresden und weiß, man ist Ziel dieser Waffen. Es gibt heute aber keine generelle Anti- Nato-Haltung. Ich denke, es geht hier um die Ablehnung dieses speziellen Krieges auf dem Balkan. Dafür gibt es aber noch einen anderen Grund.

Welchen?

Die Menschen hegen aus eigener Erfahrung heraus eine tiefe Skepsis gegenüber Propaganda. Im Moment läuft über alle Medienkanäle ziemlich einhellig ein und dieselbe Argumentation. Darauf reagieren die Leute mit großem Mißtrauen.

Haben Sie das untersucht?

Das nicht. Wir wissen nur, daß die Propaganda in den DDR-Medien weitgehend durchschaut wurde. Die Menschen hatten ja auch am Ende immer den Vergleich mit den Nachrichten auf den westdeutschen Sendern. Unsere Untersuchungen konzentrierten sich stärker darauf, wie die Ostdeutschen zu westlichen Institutionen stehen.

Mit welchen Ergebnissen?

Sie zeigen, daß diese Institutionen bis Mitte der 90er Jahre als fremd wahrgenommen wurden. Es ist anzunehmen, daß diese Entfremdung auch heute noch spürbar ist. Viele Ostdeutsche fühlen sich noch immer nicht gut in der Öffentlichkeit repräsentiert.

So friedliebend, wie sich die DDR darstellte, war sie aber nicht. Was ist beispielsweise mit der Lieferung von Waffen in Krisengebiete?

Das wußten die meisten Leute nicht. Wenn auf Fernsehbildern aus dem Irak DDR-Militärfahrzeuge zu sehen waren, dann ist das einigen wohl ins Bewußtsein gerückt, aber vieles wurde verdrängt. Interview: Yvonne Wieden

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