: Kriegskläffer
■ Ein Mohr als Öl im Getriebe
Wenn man in der Schweiz ist, merkt man das auch beim Zeitunglesen. Die Schweiz führt keinen Krieg, auch nicht publizistisch. Man wird nicht im Leitartikel angeherrscht, wo man zu stehen und was man zu denken hat. Das ist, wenn man aus Deutschland kommt, fast unvorstellbar.
Kaum geht man zurück auf die falsche Seite der Grenze, kriegt man die Militaritis. Hier sind die Zeitungen dazu da, daß man sich kriegstauglich melden kann, hier wird durchgezählt, wer zur Fahne steht und wer nicht. Wenn Krieg ist, schlägt die Stunde der Propagandaschreiber, der geistigen Gartenzwerge, die ihren Führern zum Munde schreiben. Man muß keinen Gedanken haben als Propagandist – wenn einer nur nützlich ist, reicht der simpelste Zuschnitt. Und so kommt die vierte Garnitur an den Drücker, das Öl im Getriebe. Dreigroschenjungen mandeln sich zu Chefideologen auf und machen am Schreibgerät den Feldjäger. Ein ganz besonders schwerer Fall von Kriegsfreiwilligkeit ist Reinhard Mohr, der für den Spiegel Deserteure ausfindig macht und auflistet – also diejenigen Schriftsteller und Publizisten, die – anders als Mohr – ihre Arbeit nicht als Erfüllungshilfe für Regierende mißverstehen. Denen will der in Frankfurt gelernte Denunziant Mohr an den Kragen, und dazu ist ihm jedes Mittel recht.
„Der Pazifismus der dreißiger Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht“, zitiert Mohr Heiner Geißlers dreckigstes Diktum und findet, daß „Geißler so unrecht nicht hatte“. Mohr geht es, wie damals Geißler, um die moralische Erledigung jedweder Opposition – daß ihre Vergleiche hinken wie Goebbels selbst, ist solchen Lügnern egal, Hauptsache, der Chef sieht, daß sie sich reinknien.
Mohrs Leitstern ist der Frankfurter Aufsteiger Joschka Fischer, einst fat for fun und mittlerweile fit for war. Bei Fischer macht Mohr das, wofür die Briten das anschauliche Wort brown-nosing haben: Die Nase zwischen den Backen seines Rudelführers, würde Mohr auch freudig mit dem Schwanz wedeln, wenn er einen hätte. Mohr, den man nur deshalb nicht gehirngewaschen nennen kann, weil auch vorher schon zum Waschen nichts da war, kläfft zum Krieg, denn der Krieg ist seine Karriere. Der Krieg ist nützlich: Die so gut wie erledigten Fälle Schröder, Fischer, Scharping und eben auch Mohr hat er noch einmal nach oben gespült, und jetzt klammern sie sich an diesen Krieg. Und jeden, der sie und ihren Krieg nicht stützen will, erklären sie zum Feind – nicht zu ihrem persönlichen, was in Ordnung wäre, sondern zum Feind der Menschheit, dem sie retrospektiv auch noch Auschwitz in die Schuhe schieben. So widerlich das ist, so fadenscheinig ist es, denn so ist er strukturiert, der Typus Mohr.
Wiglaf Droste
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