: Keine Nachrichten
■ Wie sich Pressesprecher davor schützen können, sich zum Idioten zu machen und gar nichts mehr wissen zu wollen
„Die Seiten wechseln“ sagen die Kollegen, wenn einer vom Journalist zum Pressesprecher oder vom Pressesprecher zum Journalist wird. Seit meinem Ausscheiden aus der taz 1985 hab ich diesen Wechsel dreimal hinter mich gebracht und bin auch fest entschlossen, es nicht dabei zu belassen.
Die Summe meiner Erfahrungen zum Verhältnis von Macht und Medien ist zwiespältig. Manches funktioniert so, wie es sein sollte und manchmal ist die Presse tatsächlich die Kontrollinstanz, die eine Demokratie benötigt. Oft allerdings sind wir weit davon entfernt – und dies betrifft Mächtige und Medien gleichermaßen.
Politiker meinen, ein Pressesprecher sei dazu da, gute Nachrichten zu verbreiten, die gar keine Nachrichten sind. Daß sich dennoch unzählige Kollegen Tag für Tag aufs neue mit Chefs herumschlagen, die der festen Überzeugung sind, heiße Luft sei zu verkaufen, sagt einiges über solche Chefs aus. Mir blieb dergleichen bislang weitgehend erspart, natürlich weil ich mir die richtigen aussuchte.
Viel interessanter wird es dort, wo es nicht um Propaganda geht, wo Information Herrschaftswissen ist und allgemeines Wissen werden könnte. Mancher Pressesprecher beherrscht den Trick, Journalisten an solchem Herrschaftswissen teilhaben zu lassen - um Nachrichten zu verhindern. In meiner jetzigen Arbeit bei der Gauck-Behörde bin ich nur ganz wenigen deutschen Journalisten begegnet, die ein vertrauliches Gespräch ablehnten. Reporter aus anderen Ländern, insbesondere aus den USA oder England sind in solchen Fragen vorsichtiger. Was nur sie, ihre Leser aber nicht erfahren können, bleibt ein Problem und hindert eher an der Arbeit.
Die hier weitverbreitete Bereitschaft zum herrschaftlichen Umgang mit Wissen paart sich oft mit einer nach wie skandalösen Unfähigkeit vieler öffentlicher Institutionen, ihre Stellung in der Demokratie zu begreifen. Das Volk als Souverän hat ein Recht auf umfassende Information und die Presse hat folgerichtig einen Anspruch auf wahrheitsgemäße Auskünfte. Leider sehen das viele deutsche Beamte anders: Öffentlichkeit als Störfaktor.
Wer nun seinem Job als Pressesprecher in solch einer Umgebung nachgeht, kann sich zwecks Vermeidung sinnloser Debatten selber zum Idioten machen und gar nichts mehr wissen wollen. Spätestens dann empfiehlt sich der sofortige Rückzug in den Journalismus. Johann Legner
Der Autor arbeite von 80 bis 85 für die taz. Bis 89 war er Sprecher der damaligen Jugendsenatorin Schmalz-Jacobsen (FDP), dann Fernsehjournalist beim SFB und NTV. Seit 96 ist er Sprecher des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR.
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