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Aufruf zum Eintritt bei den Grünen

■ Drei junge Berliner verteidigen das grüne Engagement im Kosovo-Krieg und fordern andere auf, in die Partei einzutreten

Berlin (taz) – „Das haben die Grünen nicht verdient“, dachte sich Henning Schluß vor anderthalb Wochen. Die Welle der Kritik, der die Grünen seit dem Beginn der Nato-Luftangriffe ausgesetzt sind, fand der 30jährige Grünen-Anhänger nicht gerechtfertigt. „Wenn noch jemand in der Kosovo-Krise Lösungskompetenz hat, sind es die Grünen“, meint er. Die Grünen seien zudem die einzige Partei, in der die Kontroverse um Militäreinsätze überhaupt öffentlich geführt werde.

Zeitgleich mit zwei FreundenInnen kam der Wehrdienstverweigerer auf die Idee, einen Aufruf zum Eintritt bei den Grünen zu verfassen. „Wir nehmen Partei für Bündnis 90/Die Grünen“, ist das Papier überschrieben, das er mit Frauke Spottka und Oliver Schmolke zunächst im Freundeskreis verbreitete. Aus dem privaten Umfeld der Berliner InitiatorInnen stammen denn auch die neun ErstunterzeichnerInnen. Die meisten sind zwischen 25 und 30 Jahren. Sie kommen überwiegend aus Berlin, einige aber auch aus Dresden oder Jena. Die UnterzeichnerInnen wollen am 13. Mai anläßlich des Sonderparteitages der Grünen in die Partei eintreten.

Auf eine Festlegung für oder gegen die Nato-Luftangriffe haben die InitiatorInnen in ihrem Aufruf bewußt verzichtet – zum einen, weil sie selbst unterschiedliche Positionen vertreten, zum anderen, weil es ihnen in erster Linie darum geht, eine Debatte über diese unterschiedlichen Einstellungen zu führen. So plädieren die InitiatorInnen grundsätzlich für ein Eingreifen, lassen die Mittel aber offen: „Die Universalität der Menschenrechte verpflichtet uns, Verfolgung, Vertreibung und Ermordung nicht hinzunehmen, Flüchtlinge zu schützen, aufzunehmen und ihre Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen.“

Die Politikwissenschaftlerin Frauke Spottka (31) ist „nicht generell gegen militärische Mittel“. Die Nato-Angriffe lehnt sie jedoch ab, weil sie von Anfang an den Eindruck hatte, daß sie ihr Ziel nicht erreichen. Als Nicht-Mitglied ist sie schon länger in der wirtschaftspolitischen Arbeitsgruppe der Berliner Grünen aktiv, von der Parteimitgliedschaft verspricht sie sich aber mehr Möglichkeiten, Einfluß zu nehmen.

Auch Henning Schluß hat sich von Anfang an keine Hoffnung gemacht, daß die Nato-Bomben die Vertreibungen und das Morden im Kosovo stoppen könne. Zu Zeiten der Wende war er Gründungsmitglied des Neuen Forums in Dessau und ist nun als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Humboldt-Universität tätig. „Die Probleme, die sich durch den Militäreinsatz ergeben, sind größer“, stellt er fest. Dorothee Winden

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