piwik no script img

KommentarEigentlich selbstverständlich

■ Die Grünen streiten endlich über den Kosovo-Krieg

Bei den Grünen gewinnt der Streit um den Krieg Kontur. Die Staatssekretärin Gila Altmann will ein Ende der Bombardierungen; Minister Trittin fragt, ob es klug sei, noch mehr Heizkraftwerke in Jugoslawien zu zerstören. Erstmals kommt die Kritik nicht nur aus Fraktion und Partei, sondern aus der Regierung selbst. Und schon erklingt das Mantra, daß die Existenz der Partei auf dem Spiel stehe und Geschlossenheit gefragt sei. Daß Regierungssprecher Heye Altmanns Rücktritt fordert, zeigt, wie anfällig auch Demokratien in Kriegszeiten für innere Formierungen sind: Wer nicht bei der Fahne bleibt, fliegt.

Images sind zählebig. Originell, aber unberechenbar und vernarrt in prinzipienfeste Debatten, so waren die Grünen einmal. Heute sind sie normal, technokratisch und langweilig. Doch die Medien greifen immer noch gern zum Bild von der Chaos- Combo – wahrscheinlich aus stiller Sehnsucht nach dem ganz anderen in einer Welt, in der es nur noch Liberale gibt.

Nun wäre nichts falscher, als, aus Angst vor dem virtuellen grünen Chaos, einen Zwist zu unterdrücken, der sowieso kommt: früher, und wahrscheinlich nüchterner, oder später, und eher verhärtet. Gerade die Grünen können sich nicht vor dem Streit um den Krieg abschotten, der die Gesellschaft längst erreicht hat. Eine grüne Partei als Anhängsel des Auswärtigen Amts hat keine Existenzberechtigung mehr. Und keine Chance bei Wahlen.

Der linke, Nato-kritische Teil der Partei hat sich bislang zurückgehalten. Zum einen aus Regierungsräson, zum anderen aus Ratlosigkeit. Denn die Forderung – bedingungsloser Stopp der Nato-Angriffe – ist zwiespältig. Gewiß wäre dies eine Lektion für die Nato, zukünftig weniger blindwütig an die eigene Macht zu glauben. Doch für das Kosovo wäre dies noch grausamer als ein weiteres Engagement der Nato. Ein Rückzug des Westens ohne internationale Lösung wäre ein grandioser Sieg für Milošević' ethnische Säuberung. Die Bombardierung, verbunden mit der vagen Hoffnung, Milošević würde schon nachgeben, fußte auf maßloser, verantwortungsloser Selbstüberschätzung – ein einfacher Rückzug wäre ebenso verantwortungslos.

Der Zwist um den Krieg ist für die Grünen keine Bedrohung, er ist schlicht selbstverständlich. Lange sah es so aus, als wären sie zum Fischer-Wahlverein verkommen. Jetzt müssen sie sich als politische Partei wiederfinden. Stefan Reinecke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen