: Joggende Würstchen
■ Die der Wirklichkeit davonlaufen: Die Confederacy Of Fools gastiert mit „Marathon“ im Theater in der Basilika
Männer, die Sport treiben, sind merkwürdig: Sie tragen orangefarbene Leibchen, ernähren sich von Isostar, rennen stundenlang alleine um irgendwelche Weiher und erzählen einem mit ähnlicher Ausdauer von ihren neuen „High-Technology-Turnschuhen“. Männer, die Sport treiben, sind nervtötend. Das finden zumindest Ruth und Robert. Die beiden müssen es wissen. Denn Ruths Freund Fred hat beschlossen, zum „Maratony“ zu werden und als solcher am Hamburger Shell-Marathon teilzunehmen. Die Komödie von Tony Dunham und Robert Sian, die derzeit im Theater in der Basilika als Gastspiel der Confederacy Of Fools in sportlichem Tempo über die Bühne joggt, heißt deshalb Marathon.
„Laufen ist alles,“ findet Fred, denn: „Laufen läßt mich nicht im Stich!“ Ganz im Gegensatz zu Ruth, die sich vor ihrem joggwütigen Lebensgefährten in die Arme des trinkfesten Robert geflüchtet hat. Der wunde Punkt in der Beziehung von Fred und seines Trainingspartner Robert ist damit klar, doch statt sich auszusprechen, umkreisen die beiden Läufer während des ganzen Stückes konsequent das heikle Thema. Dabei ist allein schon die sportliche Leistung der beiden Schauspieler beachtlich: Ob beim Joggen auf dem Laufband oder beim Training – die Schweißflecken von Fred (Tony Dunham) und Robert (Francesco Pahlevan) werden immer größer. Auch die Zuschauer werden nach diesem Abend Muskelkater haben: Denn vor allem die Szene, in der Fred und Robert ihr Joggprogramm inmitten von bissigen Doggen und Hundehaufen, absolvieren, ist gnadenlos zwerchfellstrapazierend.
Je länger Fred und Robert allerdings schwitzen und zanken, desto klarer wird, wer hier der Bemitleidenswerte ist: Keineswegs Robert, der sich trotz seines deprimierenden Jobs beim Sozialamt die Lebensfreude bewahrt hat, sondern der dynamische Fred, der sich im Grunde nur von Arbeitslosigkeit und Beziehungsproblemen abklenken will. Hinter der Oberfläche der leichtfüßigen Komödie schimmert da plötzlich eine Sozialsatire mit ernstem Hintergrund: Laufen als Flucht vor der eigenen traurigen Wirklichkeit. Am Ende erkennt man: Männer die Sport treiben, sind arme Würstchen.
Kristina Maroldt
bis Sonnabend, 20 Uhr, Theater in der Basilika
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