: Bomben gegen Milosevic' Vertraute
■ Warum wird eine Tabakfabrik beim Bombenangriff zerstört? Weil sie dem Sohn des jugoslawischen Präsidenten gehört
Der Luftkrieg der Nato soll die jugoslawische Kriegsmaschine zerstören oder diese wenigstens empfindlich treffen. Was die Vertreter der Nato bei den täglichen Briefings aber gewöhnlich vergessen zu erwähnen: Die Erdölraffinerien und die anderen Fabriken werden auch deshalb angegriffen, weil sie engen Vertrauten von Jugoslawiens Präsidenten Slobodan Miloevic gehören oder von ihnen geleitet werden.
Die Nato verfolgt damit eine neue Strategie. Nach einem Bericht der New York Times soll so die Kontrolle Miloevic' über Wirtschaft und Politik aufgebrochen werden. „Es kümmert ihn nicht, wenn seine Soldaten im Kosovo ums Leben kommen“, zitiert die Zeitung einen hohen Militärstrategen. „Aber wenn man Sachen, die ihm oder einer ihm nahestehenden Person wichtig und teuer sind, in die Luft sprengt – das könnte Wirkung zeigen.“ Mit der Auswahl der neuen „Ziele“ setzen die Militärs nun offenbar darauf, daß sich die loyalen Anhänger gegen den Diktator stellen könnten, wenn ihre eigene Macht und Vermögenswerte zerstört werden.
So wurde bei den Luftangriffen auch die Öl- und Gasindustrie stark beschädigt. Mitgetroffen werden sollte auch Dragan Tomic. Als Sprecher des Bundesparlaments in Belgrad ist er ein enger Vertrauter Miloevic'.
Am 9. April fiel das Automobilwerk „Zastava“ in Kragujevac einem Raketenangriff zum Opfer. Direktor Milo Beko privatisierte unter Aufsicht von Miloevic als Minister den Staatsbesitz.
Vier Tage waren Nato-Bomben und -Raketen in einer Tabakfabrik und in einem Lagergebäude in Nis eingeschlagen. Beschädigte Tabakfabriken wurden auch anderenorts vermeldet. Amerikanischen Geheimdienstberichten zufolge ist eine der Schlüsselfiguren in Jugoslawiens Tabakvertrieb Marko Miloevic, Besitzer einer Diskothek und Sohn des Präsidenten.
Miloevic selbst sei nicht das Ziel der Angriffe, verkünden die Beamten in Washington und der Brüsseler Nato-Zentrale. Im Visier sei, was die Militärs als die vier Stützen seiner Machtausübung beschreiben: der Politapparat, die Medien, Militär- und Sicherheitskräfte sowie das ökonomische System. So ist es auch kein Wunder, daß sich die Nato-Angriffe auch gegen Rundfunk- und Fernseheinrichtungen richten. Und eine der Hörfunkstationen gehört Marija Miloevic, der Tochter des Diktators.
Ob diese offiziell nicht bestätigte Strategie der Nato aufgeht, ist fraglich. Anzeichen dafür gibt es bisher jedenfalls nicht. wg
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