: Volltreffer auf Slobodan Milosevics Villa
■ Für die Nato ist die Residenz am Stadtrand von Belgrad ein „legitimes militärisches Ziel“. Offiziell steht Jugoslawiens Staatschef nicht auf der Abschußliste der Allianz. Doch der Druck auf ihn wird deutlich verstärkt
Darf sich Slobodan Milosevic nun auch eines der in Belgrad so beliebten T-Shirts mit der Aufschrift „Target“ (Ziel) überstreifen. Der gestrige Nato-Angriff auf die Villa des jugoslawischen Präsidenten legt diesen Schluß nahe. Gestern morgen gegen 4.00 Uhr legte eine Rakete die Residenz in dem vornehmen Belgrader Vorort Dedinje in Schutt und Asche. Miloevic und seine Familie waren zu dem Zeitpunkt nicht in dem luxuriösen Gebäude. Vermutlich harrten sie in einem Bunker aus.
Gestern mittag bestätigte die Nato den Angriff, dementierte jedoch, daß Miloevic das Angriffsziel gewesen sei. Bei dem Gebäude habe es sich um eine „Kommando- und Kontrollzentrale“ gehandelt, erklärte Pentagon-Sprecher Kenneth Bacon. Im Nato-Hauptquartier in Brüssel sagte ein hochrangiger Beamter des Bündnisses: „Das Gebäude, das wir beschossen haben, war keine Villa und kein Wohnhaus, sondern die Kommandozentrale des Präsidenten.“ Und aus London hieß es vom Staatssekretär im dortigen Verteidigungsministerium, Doug Henderson, das Gebäude sei ein „legitimes militärisches Ziel“ gewesen.
Die Nachrichtenagentur AP wußte aus Belgrad zu berichten, in dem zerstörten Haus habe früher der kommunistische Staatschef Jugoslawiens, Jozip Broz Tito, residiert. Auf dem Anwesen befinde sich auch sein Grab. Erst vor eineinhalb Jahren sei das Haus in der Uzicka Straße renoviert worden. In der Nähe davon befinde sich der sogenannte Weiße Palast, in dem Miloevic sein Büro habe.
Auch wenn der jugoslawische Staatschef nicht selbst auf der Abschußliste der Nato-Piloten stehen sollte, so erhöht das Bündnis eindeutig den Druck auf ihn und seine Familie. Zuvor hatten Bomben die Zentrale der von Miloevics Frau Mirjana geführten Partei „Jugoslawische Linke“ getroffen, dann erwischte es eine von seiner Tochter Marija geführte Radiostation.
Auch Politikeräußerungen deuten immer mehr darauf hin, daß das unerklärte Ziel der Angriffe inzwischen mindestens die Absetzung von Miloevic ist. Am Dienstag hatte der Britische Premierminister Tony Blair erklärt, die Angriffe gingen so lange weiter, bis dieser gezwungen sei, „abzutreten“. Und auch Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping hält Miloevic inzwischen für „keinen Verhandlungspartner“ zur Lösung des Konflikts auf dem Balkan mehr, sondern für einen Fall für das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.
Im Klartext heißt das, bei nach Einstellung der Kämpfe fälligen Gesprächen darf er nicht mehr im Amt sein.
In der Nacht zu gestern bombardierten Nato-Jets auch weitere Ziele in Serbien und im Kosovo. Die jugoslawische Nachrichtenagentur Beta meldete, der Flugplatz Batajnica sei von etwa 20 Raketen getroffen worden. Und von Tanjug hieß es, in der zentralserbischen Kleinstadt Valjevo seien eine Fabrik getroffen und mehrere Wohnhäuser beschädigt worden.
In Belgrad traf gestern der russische Kosovo-Sondergesandte Wiktor Tschernomyrdin ein. Seine Aufgabe lautete: Bei Gesprächen mit Miloevic eine politische Lösung des Konfliktes finden. Vor Journalisten erklärte er, er habe einen Friedensplan in der Tasche. Details nannte er nicht. Unterdessen hieß es aus seiner Delegation, durch die Nato-Bombardements seien bisher etwa 500 Menschen getötet worden. taud
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen