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Rußland bleibt draußen vor der Tür

■ Auch der zweite Anlauf Moskaus, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln, ist gescheitert. Noch ist unklar, ob es zu einem Treffen am Rande des Nato-Jubiläums kommt

“Wir haben in diesem Konflikt einen Durchbruch erzielt, es ist aber erst ein Anfang“, meinte Wiktor Tschernomyrdin nach seiner Rückkehr aus Belgrad. Neun Stunden hatte Präsident Jelzins Sonderemissär am Donnerstag mit Slobodan Miloevic verhandelt. Tschernomyrdin verbreitete verhaltenen Optimismus: Immerhin habe sich Miloevic bereiterklärt, „internationale Präsenz“ im Kosovo zu akzeptieren. Russischen Quellen zufolge sieht die Absprache vor, eine Truppe unter der Ägide der UN und Rußlands im Kosovo zu stationieren. Ob es sich um bewaffnete Einheiten handelt, konkretisierten die knapp gehaltenen Ausführungen nicht.

Diplomatische Kreise ließen indes durchblicken, daß lediglich zivile Beobachter gemeint sein könnten. Miloevic soll überdies die Rückkehr der Flüchtlinge garantieren, scheint aber nicht geneigt, wie von der Nato gefordert alle militärischen und paramilitärischen Kräfte aus dem Kosovo abzuziehen. Lediglich von einem „Abbau“ jugoslawischer Präsenz war in der Vereinbarung die Rede.

Einige russische Medien stellten überdies entrüstet fest: Die Nato bombardierte munter weiter, auch nachdem der russische Unterhändler in der belagerten Stadt eingetroffen war. Sei das nicht ein deutlicher Beweis, wie wenig Achtung man der russischen Mission entgegenbringe? Beim ersten russischen Vermittlungsversuch habe die Nato noch einen Luftkorridor garantiert.

Tschernomyrdin ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken: „Wir stehen nun vor der Aufgabe, einen Kompromiß auszuhandeln“, sagte er – womöglich etwas vorschnell. Denn wann und ob er überhaupt mit Vertretern Washingtons zusammentreffen wird, war in Moskau gestern nicht zu erfahren. Eine gute Gelegenheit wären die Feierlichkeiten anläßlich des 50. Jubiläums der Nato.

Moskau hat indessen entschieden, dem Festakt in Washington demonstrativ fernzubleiben. Weder Vertreter der Regierung, des Militärs noch Rußlands Botschafter in Washington werden teilnehmen. „Die Selbstisolation, die Rußland bewußt gewählt hat“, meinte der Leitartikler der Iswestija, erlaube es ihm nun nicht mehr, „sich darüber zu beklagen, wenn seine Stimme nicht gehört werde“.

Die Moskauer Gerüchteküche verbreitet unterdessen, Tschernomyrdin warte die offiziellen Feierlichkeiten nur ab, um unmittelbar danach in Washington einzutreffen. Fast alle GUS-Staaten werden in den USA vertreten sein. Selbst die verfeindeten ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan reisen an. Georgien, Armenien und Aserbaidschan dürften die Chance nutzen, um ihre territorialen Streitigkeiten auf oberster Ebene vorzutragen.

In den letzten zwei Wochen hat sich das offizielle Moskau um einen moderateren Tonfall gegenüber dem Westen bemüht. An der grundlegenden Gegnerschaft, die mehr als eine vorübergehende Meinungsverschiedenheit ist, läßt das Außenministerium indes keinen Zweifel aufkommen. So hieß es gestern, im Westen herrsche die irrige Auffassung vor, nach Beendigung des Krieges in Jugoslawien würden die Beziehungen zwischen der Nato und Rußland auf ihren „Vorkrisenstand“ zurückkehren. Sollte die westliche Allianz auf dem heutigen Gipfel zudem Out-of-area-Einsätze beschließen und die Rolle des UN Sicherheitsrates weiter schwächen, werde „Rußland angemessen reagieren“. Wie, behielt das Außenministerium für sich.

Ohnehin sind seit Kriegsausbruch alle gemeinsamen Aktivitäten Rußlands und der Nato eingefroren. Dazu zählen auch westliche Hilfestellungen, die die Sicherheit der Atomwaffen garantieren sollten. Vor einigen Wochen hatte sich General Igor Walykin noch überschwänglich bei den Amerikanern bedankt, die 100 Millionen Dollar für Nuklearcontainer und Lügendetektoren zur Verfügung gestellt hatten.

Kann die 1997 unterzeichnete Grundakte zwischen der Nato und Rußland nun zu den Akten gelegt werden? Schon damals war das geschwächte Imperium mit der Willenserklärung nicht zufrieden und drängte auf einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag. Der Westen war dazu aus Furcht vor einem unberechenbaren Rußland nicht bereit. Sieht er sich nun mit einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung konfrontiert? Klaus-Helge Donath, Moskau

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