piwik no script img

Milosevic-Anhänger: Zurückbleiben, bitte

■  Autonome Gruppen demonstrierten gegen den Krieg und Nationalismus. Serben mit Milosevic-Plakaten zogen mit eigener Demo hinterher

Die Polizei schien zunächst ratlos, und ungewöhnlich war ihr Aufruf per Megaphon: „Ihr eigentlicher Aufzug ist bereits losgelaufen. Bitte schließen Sie sich an.“ Doch die rund 700 Serben, die einer Demonstration gegen den Kosovo-Krieg gekommen waren, rührten sich – aus Protest gegen die Demo-Veranstalter – nicht von der Stelle, als Frauen/Lesben- und autonomer Block am Samstag mittag mit ebenfalls mehreren hundert Teilnehmern planmäßig vom Kleistpark loszogen.

Zu der vom Asta der TU angemeldeten Demo hatten auf Flugblättern ein „Autonomes Plenum gegen den Krieg“ sowie ein „Frauen/Lesben-Bündnis gegen den Krieg“ aufgerufen. Letzteres forderte darin nicht nur die Abschaffung der Nato, sondern auch die Entwaffnung aller Männerbünde. „Krieg stärkt Männlichkeit und Nationalismus. Da ist kein Platz mehr für die, die gegen diese (Männer-) Gewalt und nationalistische Logik leben wollen und sich wehren“, hieß es in dem Aufruf. Als politisch verwantwortlich für den Krieg benannte das Flugblatt, die Nato-Staaten, das serbische Regime und die UÇK.

„Wir sind gegen jede Form von Nationalismus“, hatten die Veranstalter sich daher am Kleistpark per Lautsprecher von einzelnen serbischen Teilnehmern zu distanzieren versucht, die mit Fahnen, serbischen Uniformen und dem Tschetnik-Gruß die Demo zu ihrer Bühne zu machen versuchten. Die Serben hingegen quittierten die Forderung, mitgebrachte Miloevic-Poster zu entfernen, mit Buhrufen und Pfiffen.

So spaltete die autonome Kritik die Demonstration schon am Ausgangsort. Die Serben blieben unter lautstarken „Jugoslavija“-Sprechchören zurück, meldeten beim Einsatzleiter der Polizei ihre eigene „spontane Kundgebung“ an und marschierten bis zum Bülowbogen – in angemessenem Abstand zum ursprünglichen Teil der Demonstration. Nach der Kritik an den serbisch-nationalistischen Auftritten auf dem Ostermarsch und weiteren Antikriegsdemos waren es nun die Serben selbst, die sprichwörtlich aus der Reihe tanzten und – trotzig „Flagge“ zeigten.

Eine derartige „Premiere“ hatten die Organisatoren der Demo nicht geplant, sondern eine andere: Demonstriert werden sollte erstmals auf dem neuen debis-Areal am Potsdamer Platz, „aufgrund politischer Zusammenhänge des Großkapitals mit dem Krieg im Kosovo“, wie eine Asta-Sprecherin erklärte. Doch dazu kam es ohnehin nicht. Veranstalter und Polizei einigten sich bereits im Vorfeld darauf, den Demonstrationszug am Daimler-Gelände, das kein öffentliches Straßenland darstellt, lediglich vorbeizuleiten. Dieses wurde von mehreren Hundertschaften der Polizei und Absperrgittern gesichert. „Wir hätten es schwergehabt, einen Schutz des Areals anderweitig zu gewährleisten“, sagte ein Polizeisprecher zur Begründung. Statt der Demonstranten schlängelten sich nur Räumpanzer und Wasserwerfer über den von Eis essenden Flaneuren gesäumten Marlene-Dietrich-Platz zum Grand Hyatt Hotel in der Voxstraße.

Währenddessen hob die autonome Kundgebung außerhalb des Daimler-Areals in Höhe der Eichhornstraße gegen die Nato-Bombardements und die „verpackten Monumente des Großkapitals“ vis-à-vis an.

Die massive Polizeipräsenz beinhaltete auch Personen- und Taschenkontrollen im Umfeld der Demonstration. Dabei sei es, so die Polizei, jedoch weder zu Festnahmen noch Beschlagnahmungen gekommen. Die Demo blieb, trotz Spaltung, friedlich. Zumindest die Serben bedankten sich dafür lauthals – bei der Polizei. Christoph Rasch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen