piwik no script img

Grüne hoffnungsvoll

■ Fraktionsspitze: Keine Zerreißprobe. Hamburger Grüne für Angriffsstopp

Die Fraktionsspitze von Bündnis 90/Die Grünen hat sich gestern in Bonn auf einem Pressegespräch darum bemüht, dem Eindruck entgegenzuwirken, die Partei stehe vor einer Zerreißprobe. Übereinstimmend erklärten Kerstin Müller und Rezzo Schlauch, die interne Diskussion über den Krieg im Kosovo sei von „Respekt“ für die jeweilige andere Position geprägt. „Abwegig. Einfach abwegig“, nannte Müller Medienspekulationen über eine Spaltung der Fraktion nach dem bevorstehenden Parteitag. Beide Fraktionsvorsitzenden ließen erkennen, daß sie am 13. Mai nicht an eine Mehrheit für die Forderung nach einem bedingungslosen sofortigen Ende der Bombardierungen glauben. Für möglich halten sie, daß sich die Delegierten für einen einseitigen befristeten Waffenstillstand aussprechen. Nach Ansicht von Schlauch ließe dies genügend Spielraum für ein Verbleiben in der Koalition. Er forderte, bei der Antragsgestaltung sehr darauf zu achten, „diejenigen Mitglieder mit einzubeziehen, die eher der pazifistischen Linie zuneigen“. Kerstin Müller betonte, ihrem Eindruck nach wolle die große Mehrheit in der Partei die Koalition nicht in Frage stellen. Auch fände der Friedensplan von Außenminister Joschka Fischer „eine ganz, ganz breite Unterstützung“. Zugleich räumte sie ein, daß die Zweifel an der Nato-Operation größer würden, je länger der Krieg andauere – auch in den Reihen derer, die sich für die Luftschläge ausgesprochen hätten. Für einen Teil der Kritik, die Parteifreunde üben, zeigte die Fraktionschefin Verständnis. Auch sie selbst hält die Bombardierung des Funkhauses in Belgrad für „falsch“. Außerdem ließ sie Zweifel am Sinn der Angriffe auf Montenegro durchblicken. Das Fehlen eines UN-Mandats für die Militärintervention ist laut Müller „nicht mehr die entscheidende Debatte“. Die Frage sei vielmehr: „Was führt zum Ziel?“ Die Grünen hätten auf dem Parteitag nicht die Frage nach ihrem Selbstverständnis zu beantworten, sondern allein die Frage, wie man zu einer Lösung kommen könne.

Hamburgs Grün-Alternative Liste (GAL) lehnte es unterdessen ab, sich vorbehaltlos hinter Außenminister Joschka Fischer, die rot-grüne Bundesregierung und die Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien zu stellen. Auf einer Mitgliederversammlung am Sonntag abend wurde nach rund sechsstündiger emotionaler, aber dennoch weitgehend sachlicher Debatte beschlossen, „daß die Nato mit einem befristeten Stopp ihrer Bombardierung einen ersten Schritt zum Ausstieg aus der Spirale der Gewalt“ machen solle. Ziel müsse es sein, „Luftkrieg und Vertreibung, Rückkehr der Vertriebenen und Sicherheit vor ethnischer Drangsalierung zu ermöglichen“. Die Feuerpause solle die Möglichkeit eröffnen, daß „die zentrale Rolle der Konfliktbewältigung“ wieder auf die Vereinten Nationen übergehe. Dieser Beschluß wurde mit der knappen Mehrheit von 156 zu 132 Stimmen bei einigen Enthaltungen verabschiedet. Ihm unterlag ein Antrag der Grünen Anti-Kriegs-Initiative, die eine „bedingungslose Beendigung der Nato-Luftangriffe und der Planungen für einen Bodenkrieg“ als Voraussetzung für eine Friedenslösung im Kosovo gefordert hatte. Ein Antrag des Realoflügels um Parteisprecher Peter Schaar war bereits zuvor gescheitert. Darin hatte es geheißen, die GAL solle Fischers Friedensplan und die rot-grüne Bundesregierung „für eine auf die UN gestützte Friedenslösung im Kosovo unterstützen“.

Bettina Gaus, Bonn / Sven-Michael Veit, Hamburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen