: Laßt sie ruhig mogeln!
■ Die Kripo ermittelt gegen die Macher der Bürgerparks-Tombola wegen Verdachts auf Betrug. Die Loskäufer ficht dies kaum an. Auch die Bremer nehmen es eher gelassen
Das Glück ist so eine Sache. Jeder gestandene Lottospieler weiß: Die Chance ist weitaus größer, daß man als gefledderte Leiche unterm Pkw landet, als daß man sich bei der deutschen Klassenlotterie seine Million abholt. Mit unserer schönen Bürgerpark-Tombola ist das nicht anders. Das Glück endet meistens im Lavendeltee oder einer prallen Teewurst – und jetzt ermittelt sogar die Kripo. Denn der Verdacht besteht, daß das Los fürs begehrte 10.000-Mark-Sparbuch in den roten Hütten an der Liebfrauenkirche erst ganz zuletzt auftaucht. Und auch das Los für den leuchtendroten Nissan Micra kommt möglicherweise erst mit der letzten Tages-Lieferung, damit die Kauflust angesichts der leeren Rampe nicht schon am frühen Vormittag abrupt verendet. So hat es der Weserkurier recherchiert – und will dazu sogar eidesstattliche Erklärungen von Tombola-Mitarbeitern vorliegen haben.
Den gemeinen Loskäufer am sonnigen Dienstagmittag aber ficht das kaum an. Warum nicht ein bißchen mogeln, wenn es für die gute Sache ist, so die vorherrschende Meinung. „Aufs Gewinnen kommt's doch gar nicht an“, murmelt Klaus Preuschoff, und Frau Brigitte ist ganz seiner Meinung: „Schön ist es“, finden die beiden, „im Bürgerpark auf der Bank zu sitzen und sich sagen zu können: Ein Stück davon gehört zu uns.“ Wird doch immerhin rund ein Viertel aller Kosten zum Erhalt des Bremer Bürgerparks durch die Tombola eingespielt – rund eine Million Mark im Jahr, um die sich Parkdirektor Damke nun sorgt: „Wir sind doch sowieso schon jedes Jahr ganz, ganz knapp.“
Bestätigt wird denn auch von Karl Wöhler, dem Tombolabetreiber, daß die Einnahmen am gestrigen Dienstag leicht zurückgegangen seien. Jegliche Manipulation am Lostopf aber bestreitet er vehement: „Den Mann möchte ich sehen, der mir unterstellt, wir würden die Hauptgewinne erst abends in die Töpfe schleusen!“ Die Lospakete für den Folgetag kämen als Ganzes und geschlossen aus der Druckerei in Bramsche – „da läßt sich hier gar nichts manipulieren.“
Extrem bedeckt hält man sich hingegen in der Bramscher Druckerei Dinges & Co: Richtig sei, „die notarielle Aufsicht liegt hier“ – für alles weitere sei die Bürgerpark-Tombola zuständig. Und auch der verantwortliche Notar, der Bramscher Rechtsanwalt Reiner Börgen, zieht sich hinter seine Schweigepflicht zurück: „Ich werde den Deubel tun, daß ich was falsches sage.“
So wird sich die Aufklärung der Vorwürfe wohl noch etwas Zeit lassen. Die Abteilung K 23 der Bremer Kripo für Betrugsdelikte hat gerade erst mit der Recherche begonnen. Und die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Ingrid de Boer, weiß: „Das wird ein übles Verfahren, wo genau zu prüfen sein wird, wie das da alles abläuft.“
Die Loskäufer in der Sögestraße aber vertrauen statt der Polizei lieber ihrem Glück, das ihnen auf den Lippen der schönen Losverkäuferin Larysa Paliashchuk schimmert: „Gerne kaufen die die rosa Lose“, freut sich die Weißrussin, „weil mein Lippenstift die gleiche Farbe hat.“ Und auch Loskäuferin Karin S. schnippt böse mit der langen Zunge: „Die Tombola ist mir völlig scheißegal! Ich brauch den Bürgerpark, ich jogg da jeden Abend.“
ritz
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