: Brandstifter im französischen Staatsdienst
■ Drei Mitglieder einer Sondereinheit der Gendarmerie sitzen auf Korsika in Haft
Paris (taz) – Eine blutige Gesichtsmaske und ein Walkie-Talkie am Tatort brachten die Fahnder auf die Spur zu der korsischen Gendarmeriesondereinheit GPS. Seit der Nacht zu gestern sitzen drei ihrer Mitglieder in Haft. Darunter auch ihr Chef, Oberst Henri Mazère. Gegen die drei hochrangigen Gendarmen der erst im vergangenen Juni zur „Befriedung“ der Insel gegründeten Sondereinheit liegt der Verdacht vor, ein korsisches Restaurant in Brand gesteckt zu haben.
Was am vergangenen Samstag exakt bei „Chez Francis“ an einer kleinen Bucht im Süden von Ajaccio passierte, war gestern noch unklar. Fest stand allerdings für die Ermittler, daß die drei Elitegendarmen am Tatort waren, daß sie gefüllte Benzinkanister dabeihatten, daß sie nicht die Feuerwehr holten, daß einer von ihnen bei der Aktion verletzt wurde und daß anschließend das Lokal ausgebrannt war.
Auf Korsika und in Paris herrschte gestern Einvernehmen darüber, daß die drei Brandstifter im Staatsdienst im höherem Auftrag gehandelt haben. Korsische Nationalisten nannten die Affäre gestern bereits ein „Mini-Rainbow-Warrior“, benannt nach dem Greenpeaceschiff, das einst der französische Geheimdienst vor Neuseeland versenkte. Doch woher der Befehl zum Zündeln kam, ist noch unklar. Das erste Augenmerk richtete sich auf den korsischen Provinzpräfekten Bernard Bonnet. Er hatte die knapp 100 Mann starke Elitetruppe GPS im vergangenen Juni gegen zahlreiche Widerstände gegründet. Sie gilt als sein „bewaffneter Arm“ auf Korsika. Bonnet, den die französische Regierung im Februar 1998 als Nachfolger seines auf offener Straße ermordeten Vorgängers Claude Erignac auf die Insel schickte, hat sich dort den Ruf eines „Saubermannes“ erworben. Er hat dunkle Geschäfte in Banken und Handelskammern verfolgt und Bulldozzer zum Abriß illegal errichteter Bauten geschickt. Doch Erfolge bei der Fahndung nach den Mördern seines Vorgängers kann er nicht vorweisen.
Gestern reiste Bonnet zum Rapport zu seinem Vorgesetzten in Paris, Innenminister Jean-Pierre Chevènement. Ob dabei der Rücktritt des Präfekten zur Debatte stand, war bei Redaktionsschluß noch offen. Vermutlich würde ein bloßes Präfektenopfer gar nicht mehr genügen, um die Aufregung auf Korsika zu glätten. Seit Bonnets Ankunft hatte sich die 250.000-Einwohner-Insel zunehmend mit Polizisten und Gendarmen (von denen erstere dem Innenministerium und letztere dem Verteidigungsministerium unterstehen) gefüllt. Zahlreiche korsische Beamte waren versetzt und durch angeblich neutralere „Kontinentalfranzosen“ ersetzt worden. Der Präfektenpalast glich zunehmend einer Festung. Hausdurchsuchungen und massive Polizeiauftritte häuften sich.
Militante Nationalisten im korsischen Regionalparlament fragten bereits vor Monaten an, wann Bonnet endlich gehen würde. „Ich gehe“, antwortete der, „wenn Ihre Freunde aufhören, zu erpressen, zu morden und zu bomben.“ Nicht überraschend gewannen die Nationalisten bie den Regionalwahlen Anfang März an Stimmen. Angesichts der Verhaftung der drei hochrangigen Gendarmen, von denen zwei vom Kontinent stammen, war gestern auf Korsika vielfach unverhohlene Häme zu spüren. Der Besitzer des am Samstag abgebrannten Lokals, Yves Ferraud, äußerte vor Journalisten, er habe nun kein Vertrauen mehr in den Rechtsstaat. Sein Lokal will er in wenigen Wochen wieder eröffenen – obwohl er für den Neubau genausowenig eine Genehmigung hat, wie die für das abgebrannte Lokal vorlag.
In Paris verlangten Vertreter aller Parteien ein hartes Durchgreifen des Rechtsstaates und eine konsequente Verfolgung der Brandstifter. Ungewöhnlich einmütig erklärten Abgeordnete von links bis rechts: Wer den Befehl gegeben hat, muß gehen. Ganz egal, wie weit oben er in der politischen Hierarchie sitzt. Dorothea Hahn
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