: Weniger Steuern, geringere Löhne
Führende Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in ihrem Frühjahrsgutachten von nur mehr 1,7 Prozent Wachstum aus. Steuerreform und ein Bündnis für Arbeit sollen's richten. Arbeitslosigkeit sinkt schon jetzt ■ Von Nicola Liebert
Berlin (taz) – Die Konjunkturforscher der sechs großen Wirtschaftsforschungsinstitute lagen daneben. In ihrem letzten Herbstgutachten hatten sie der deutschen Wirtschaft für das Jahr 1999 noch ein Wachstum von 2,3 Prozent geweissagt. Jetzt mußten sie zurückstecken: Nur um 1,7 Prozent soll die Wirtschaft gegenüber dem Vorjahr noch zulegen. Aber im nächsten Jahr soll dann der Aufschwung wirklich kommen. Für das Jahr 2000 prognostizieren die Institute ein Wachstum von 2,6 Prozent und somit eine „spürbare Abnahme der Arbeitslosigkeit“.
Damit sind die Wirtschaftsinstitute immer noch optimistischer als die Bundesregierung. Die hatte nämlich ihre Wachstumserwartung am vergangenen Wochenende von 2 auf 1,5 Prozent heruntergeschraubt. Bundesfinanzminister Hans Eichel hatte gesagt,die Wachstumsaussichten würden unter anderem durch die unkalkulierbaren Kosten des Kosovo-Krieges belastet. Außerdem hätten sich auch die Aussichten in den EU-Partnerländern eingetrübt.
Zuversichtlich sind die Konjunkturforscher für den Arbeitsmarkt. Schon in diesem Jahr werde die Arbeitslosenrate von 11,2 auf 10,6 Prozent fallen und im nächsten Jahr sogar auf 9,9 Prozent. Allerdings sei das nicht so sehr „das Spiegelbild einer dynamischen Beschäftigungsentwicklung“. Vielmehr sinke die Nachfrage nach Arbeitsplätzen, weil Ausländer abwanderten, weniger Aussiedler hinzukämen und häufiger frühverrentet werde.
Um unabhängig von solchen Effekten eine langfristige Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen, fordert die Mehrheit der Institute eine „beschäftigungsorientierte Lohnpolitik“ in einem Bündnis für Arbeit. Was sie damit meinen, zeigte sich bei der Kritik an den jüngsten Tarifabschlüssen, die die Forscher für viel zu hoch hielten. Nur das arbeitnehmerfreundliche Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wollte sich dem nicht anschließen.
Von der Bundesregierung fordern die Institute darüber hinaus „eine Steuerreform, bei der es zu einer deutlichen Entlastung kommt“. Zur Finanzierung sollten nicht an anderer Stelle Steuern erhöht, sondern Subventionen gekürzt werden. Deshalb finden die Forscher es „ordnungspolitisch problematisch“, wenn Politiker beim Entwurf von Steuergesetzen allzu eng mit der Wirtschaft kooperierten: Die Abschaffung von Steuervergünstigungen oder Subventionen könne „nicht Gegenstand von Verhandlungen mit den betroffenen Unternehmen sein“.
Ihren Optimismus für das kommende Jahr begründen die Wirtschaftsinstitute vor allem damit, daß durch das Abflauen der Finanzkrisen in Asien und anderen Schwellenmärkten und die allmähliche Aufwertung der dortigen Währungen die Exportschwäche überwunden werden könne. Zugleich habe die Stärke des US-Dollar und die korrespondierende Schwäche des Euro die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Firmen „spürbar verbessert“.
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