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Ehemaliger Gestapo-Mann steht vor Gericht

■ Er soll im Konzentrationslager Majdanek 500 Menschen erschossen haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft ihm in tausenden Fällen Beihilfe zum Mord vor.

Berlin (taz) – Der ehemalige Gestapo-Mann Alfons Götzfrid hat gestern vor dem Stuttgarter Landgericht die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft bestritten. Der 79jährige Spätaussiedler aus Kasachstan erklärte zum Prozeßauftakt, er habe im Konzentrationslager Majdanek in Polen „nicht einen Schuß abgegeben“. Die Staatsanwaltschaft wirft Götzfrid Beihilfe zum Mord in 17.000 Fällen vor. Laut Anklage habe er alleine im November 1943 in Majdanek 500 Menschen erschossen und Gewehre nachgeladen.

Die Ermittlungsbehörden waren Götzfrid nur dank seiner eigenen Redseligkeit auf die Spur gekommen. Als ihn die Dortmunder Staatsanwaltschaft aufgrund neuer Aktenfunde aus dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit als Zeuge in einem anderen Verfahren einlud, plauderte der Rentner munter drauflos: Er habe an Judenerschießungen in Majdanek teilgenommen und dabei mehrere hundert Male gefeuert. Anschließend sei ihm schlecht geworden, trotzdem habe er nachgeladen und weiter gefeuert.

Diese freimütigen Aussagen hatte der ehemalige Gestapo-Mann wohl in dem Glauben gemacht, er könne nicht mehr bestraft werden, weil er für seine Greueltaten schon in der Sowjetunion 1947 zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden war, von denen er 11 Jahre in Workuta ableisten mußte. Doch der Bundesgerichtshof entschied mehrfach, daß das verfassungsrechtliche Verbot einer Doppelbestrafung nur bei „innerstaatlichen Gerichten“ oder bei Vorliegen entsprechender zwischenstaatlicher Verträge anzuwenden sei. Zweifel allerdings bleiben: Mit der Begründung, es sei nicht auszuschließen, daß Götzfrid für seine Taten bereits durch die sowjetische Lagerhaft gebüßt haben könnte, hob das Oberlandesgericht Stuttgart im März diesen Jahres den Haftbefehl auf.

Kaum hatten die Ermittlungen gegen Götzfrid begonnen, schilderte dieser seine Tatbeteiligung in einer nachgebesserten Version. Er habe nur ganz wenige Schüsse abgegeben, dann sei ihm schlecht geworden und er sei in Ohnmacht gefallen, sagte er bei Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft. Gestern bei Prozeßeröffnung erklärte er, überhaupt nicht geschossen zu haben, er habe nur Gewehre nachgeladen. „Das Ganze war traurig und schlimm“, sagte er vor dem Stuttgarter Landgericht. Die Massenmorde vom 3. und 4. November 1943 sind als „Aktion Erntefest“ in die Geschichte eingegangen. Damals wurden alle noch lebenden Juden im Osten des Generalgouvernements in verschiedenen Konzentrationslagern ermordet. Etwa 42.000 Menschen fielen den Massakern zum Opfer.

Götzfrid, der als Rußlanddeutscher 1941 freiwillig der Wehrmacht beigetreten war und spätestens ab 1943 für die Gestapo arbeitete, fungierte damals als Mitglied beim Kommandeur der Sicherheitspolizei Lemberg. Für die Massenmorde wurde er extra aus Lemberg nach Majdanek angefordert.

Für den Prozeß gegen Götzfrid sind neun Verhandlungstage bis Ende Mai vorgesehen. Es wird möglicherweise nicht das letzte Verfahren in Stuttgart sein. Die örtliche Staatsanwaltscft ermittelt derzeit gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Johannes Thümmler. Der ehemalige Gestapochef von Kattowitz soll in Auschwitz ein Polizeistandgericht geleitet haben und dabei etwa 1.000 rechtswillkürliche Todesurteile, vor allem gegen gefangengenommene Partisanen, gefällt haben. Schon Anfang der 70er Jahre war gegen Thümmler ermittelt worden, eine Hauptverhandlung kam damals aber wegen fehlender Beweise nicht zustande. Neue Zeugenaussagen führten zu den jetzigen Ermittlungen, die voraussichtlich erst in einigen Monaten abgeschlossen sein werden. Klaus Hillenbrand

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