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Flucht vor dem Zugriff des großen Geldes

■  Ein Pionier der Webkunst kehrt zu seinen Wurzeln zurück: Heath Bunting hat in den kanadischen Rocky Mountains einen Server für Piratenradios eingerichtet. Das Programm macht ein Computer nach Hörervorschlägen

Aussicht in die Ferne mit Wolken: Heath Bunting gehört zu jener Art von Pionieren, die sich nicht mehr wohl fühlen, wenn sie plötzlich zur Mehrheit gehören. Er hatte in den achtziger Jahren zur britischen Hackerszene gehört, und ein tiefes Mißtrauen gegenüber dem Web, das immer bunter wurde, hat alle seine Kunstwerke bestimmt, die er dennoch dafür produzierte.

Seine schwarzweißen Abstraktionen und sein keineswegs kokettes Spielen mit ASCII-Zeichensätzen haben ihn zur Kultfigur unter den Webkünstlern gemacht. Als sein Name aber auf keiner namhaften Konferenz mehr fehlen durfte, erklärte er seinen Rückzug. Sein Abschiedswerk heißt „Be owned“ (www.irational. org/heath/_readme.html): Es besteht aus dem Text eines Journalisten, der versucht hat, den schwer einzuordnenden Aktionisten seinen Lesern vorzustellen. Bunting demonstriert daran sein eigenes Verschwinden. Bei normaler Browsereinstellung erscheint der Text in blaßgrauer, kaum lesbarer Farbe vor weißem Grund. Es ist kein Text mehr, sondern eine einzige Sammlung von Links, denn im Quellcode ist aus jedem Wort eine Netzadresse mit der Endung „.com“ gebildet, die für „commercial“ steht. Wenig überraschend im Grunde, führt diese simple Methode fast ausnahmslos zum Erfolg. Per Mausklick werden wir von einer Firmenwebsite zur anderen gejagt, finanzielle Interessen haben buchstäblich die Sprache übernommen.

Nur ein paar weiße Flecken sind in diesem grauen Muster eines totalitären Geistes geblieben: Die Worte, die Heath Buntings Namen und einige seiner Aktivitäten bezeichnen: Er hatte Flyer und Graffiti gezeichnet, war Radiopirat und Mailboxbetreiber, schreibt sein Porträtist, und Bunting läßt diese noch nicht kommerzialisierten Wörter in unsichtbarer weißer Schrift anzeigen. Auch der reflexhafte Mausklick versagt bei diesen Residuen einer Person, die sich entzieht, um sich selber treu zu bleiben.

Webkunst, die heute durchaus ihren Markt findet, konnte danach nicht mehr entstehen. Das Schweigen ist Buntings Sache aber auch nicht. Er ist zu seinen Anfängen des Piratenradios zurückgekehrt und betreibt heute in Banff, Kanada, einen Sender, der sowohl „on air“ in den nahe liegenden Tälern der Rocky Mountains als auch im „Real Audio“-Format weltweit unter www.irational.org/radio/radio90/ im Internet zu empfangen ist. Das klassische Hacker-Medium der siebziger Jahre scheint ihm noch am ehesten dem großen Geschäft zu widerstehen, und noch einmal versucht Bunting, das Gefälle zwischen Sendern und Empfängern einzuebnen. So naiv allerdings, diese Aufgabe einer einzigen Radiostation zuzumuten, kann heute niemand mehr sein. Bunting hat im Web gelernt, daß nichts wichtiger ist als eine Suchmaschine. Sein Piratenradio ist nach demselben Prinzip aufgebaut:

Die Hörer sind aufgerufen, die Internetradios, die in allen Ecken der Welt ja schon länger entstanden sind, in Buntings Exil anzumelden. Eine eigens dafür geschriebene Software übernimmt jeweils eine Stunde Sendezeit automatisch auf den Server von B 90 und verteilt die Ausstrahlung des Gastprogramms auf einen wöchentlichen Sendeplan. Ein gutes Dutzend Sender ist heute vertreten, und mit Sicherheit ist keiner dabei, der jemals Gewinn machen wird – gute Aussichten also auf dem Gipfel der Avantgarde. Niklaus Hablützel

niklaus@taz.de

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