piwik no script img

Vertriebene berichten von Leichenbergen im Kosovo

■ In den makedonischen Flüchtlingslagern bahnt sich eine Katastrophe an

Die paramilitärischen serbischen Truppen im Kosovo werden nach Angaben von Flüchtlingen immer brutaler. Vertriebene berichteten dem Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) gestern in Albanien von Leichenbergen in der Umgebung von Djakovica. Nach ihren Angaben wurden dort zwischen 100 und 200 Männer umgebracht. „Es könnte sich um die bislang schlimmsten Greueltaten des Kosovo-Konfliktes handeln“, sagte UNHCR-Sprecher Kris Janowski.

Rund 2.500 Flüchtlinge aus der Region um Djakovica berichteten in Albanien, sie hätten auf der Flucht bei den Ortschaften Meja und Orize Leichenberge gesehen. Auf einem Feld bei Meja seien zahlreiche Männer festgehalten worden, im Graben am Rande des Feldes hätten viele Leichen gelegen. Auf der Flucht seien die Männer von den Traktoren geholt worden. Sie seien wahrscheinlich umgebracht worden, berichteten die Flüchtlinge.

Unterdessen hat die Ankunft tausender Flüchtlinge in Makedonien zu dramatischen Zuständen geführt. Die Situation in den Lagern sei so schlimm, daß Unruhen zu befürchten seien, sagte Kris Janowski. Die Flüchtlinge lebten zusammengedrängt unter untragbaren Umständen. Den makedonischen Behörden warf Janowski vor, einen schnellen Bau des Lagers Cegrane behindert zu haben. Sie hätten auf einem lokalen Bauunternehmen bestanden. Dieser habe den Bau nicht schnell genug ausführen können.

Am Mittwoch trafen mit Bussen weitere Flüchtlinge in Blace ein, am Vortag waren es zwischen 3.500 und 4.000. Dies sei weit mehr, als man erwartet habe, sagte ein UNHCR-Mitarbeiter. Die meisten von ihnen hätten die Nacht zusammengedrängt im Auffanglager direkt hinter dem Grenzübergang verbringen müssen. Das Hauptflüchtlingslager in Stankovic sei inzwischen mit 30.000 Menschen völlig überfüllt. Ausgelegt worden sei das Lager für 10.000 Personen.

Das UNHCR appelierte an die europäischen Länder, dringend mehr Kosovo-Vertriebene aus Makedonien zu übernehmen. Obwohl die europäischen Staaten zusammen 85.000 Plätze angeboten hätten, seien bisher erst 20.000 Flüchtlinge dorthin ausgeflogen worden, davon die Hälfte nach Deutschland. „Die Ausreise geht zu langsam“, erklärte die Sprecherin des UNHCR Judith Kumin. Wenn an einem Tag 5.000 Menschen ankämen und nur 1.000 bis 1.200 ausreisten, müsse die Evakuierung verstärkt werden.

In Albanien waren bis gestern rud 368.000 Flüchtlinge eingetroffen. Im Norden sei die Situation für die Flüchtlinge gefährlich, sagte Janowski. Nur wenige Kilometer von den Flüchtlingen entfernt sei jeden Tag Artilleriefeuer der Serben zu hören, die Kämpfer der albanischen Befreiungsarmee im Grenzgebiet verfolgen.

Im Kosovo selbst wird offenbar die südlich gelegene Stadt Prizren dem UNHCR zufolge immer mehr zum Haupttransit-Ort der Flüchtlinge. Die Situation verschlimmere sich zusehends, Nahrungsmittel würden knapp, Wasser und Strom gebe es nur noch sporadisch, so Janowski. Die verbliebenen Einwohner verließen nur noch auf der Suche nach Lebensmitteln ihre Häuser. Flüchtlinge aus Prizren hätten berichtet, daß in den vergangenen Wochen zahlreiche Männer von Sicherheitskräften zusammengetrieben worden waren, um Zwangsarbeit zu leisten, Blut zu spenden oder als menschliche Schutzschilde in Militäreinrichtungen zu dienen. AP/dpa/rtr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen