■ Interview mit Ahmet Zeki Okcuoglu, Anwalt des in der Türkei angeklagten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan
: „Ihm wird jetzt ein Prozeß gemacht, den er nicht verdient“

taz: Nach ihrem ersten Besuch bei Ihrem Mandanten haben Sie erklärt, das Mandat wegen massiver Drohungen nicht wahrnehmen zu können. Was hat Sie bewogen, es dann doch zu tun?

Ahmet Zeki Okcuoglu: In den ersten Tagen wären wir fast gelyncht worden. Wir haben deshalb Schutz durch den Staat verlangt, aber der Staat hat unsere Forderungen überhört. Statt dessen hieß es, wir hätten kalte Füße bekommen. Wir haben dann doch weitergemacht. Der öffentliche Druck hat auch etwas nachgelassen, aber Drohungen gibt es immer noch.

Wie sehen ihre Besuche bei Öcalan aus? Sind vertrauliche Gespräche möglich?

Wir können nie allein mit ihm reden. Die bisher längste Besuchszeit war eine Stunde. Unter den Bedingungen konnten wir über die Fragen, die den Kern der Verteidigung berühren, nicht sprechen.

Wie geht es ihm gesundheitlich? Es gab Gerüchte, daß er sehr krank sei.

Als ich ihn das erste Mal besuchte, sah er schlecht aus. Wie ich nachträglich erfuhr, hing das aber damit zusammen, daß er direkt aus dem Vernehmungszimmer im Keller zu uns gebracht worden war. Ich hatte auch den Eindruck, daß er unter Drogen stand. In den späteren Gesprächen wirkte er dann normal. Auf unsere Fragen, ob er gefoltert wird, antwortete er immer: Nein, keine grobe Folter, aber großer psychischer Druck.

Öcalan hat eine Erklärung verbreiten lassen, in der er für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage eintritt und erklärt, er würde gern einen persönlichen Beitrag dazu leisten.

Trotz der negativen Bedingungen, unter denen er sich befindet, zeigt er bei den Gesprächen eine ziemlich optimistische Haltung. Das ist aber auch nicht so überraschend. Seit dem ersten Waffenstillstand hat Öcalan immer zum Frieden aufgerufen. Auch wenn dies von einigen negativen Vorfällen überschattet wurde, verfolgt er diese Linie.

Die Aufrufe der PKK hören sich aber ganz anders an.

Das waren Äußerungen im Zorn, vor allem, nachdem man versucht hat, ihn nach seiner Verhaftung zu erniedrigen. In seiner Person sollte eine Organisation, eine Nation, ein ganzes Volk gedemütigt werden. Dieser Zorn war innerhalb der PKK natürlich noch größer. Trotzdem glaube ich nicht, daß die PKK eine gewalttätige Organisation ist.

Was sagt Öcalan zu den Terrorakten, die die Türkei seit seiner Festnahme erschüttern?

Ich wundere mich manchmal sehr über den Westen. Sie haben eine fortgeschrittene Technik und eine entwickelte Politikwissenschaft. Trotzdem lassen Sie sich von der Türkei manipulieren. Viele der letzten Terroraktionen wurden von Kreisen innerhalb des türkischen Staates selbst unternommen.

Wie wollen Sie Öcalan verteidigen?

Wir sind jetzt siebzehn Anwälte. Wir werden gemeinsam eine Verteidigungsschrift verfassen, einen umfassenden Text, der in die Geschichte eingehen wird.

Wollen Sie ihre Verteidigung denn auf die Widerlegung konkreter Vorwürfe stützen? Oder wird es eher eine politische Verteidigung?

Sie wird politisch und juristisch sein. Wenn möglich, werden wir von den Vergehen dieses Staates gegen das kurdische Volk berichten.

Glauben Sie, daß Öcalan zum Tode verurteilt wird?

Selbstverständlich. Angesichts der bestehenden Gesetze können sie ihm gar keine andere Strafe geben.

Aber wird die Todesstrafe dann auch vollstreckt?

Ganz sicher, sie werden ihn hängen.

Wenn schon seine Verhaftung einen solchen Zorn ausgelöst hat, was wird dann erst nach seiner Exekution passieren?

Ich kann nur für mich sprechen. Als Demokrat und als Mensch, der in der Kurdenfrage trotz allem bislang gemäßigte und friedliche Ansichten vertreten hat – ich spreche jetzt nicht als Anwalt, sondern als Privatperson – werde ich alle Beziehungen zu diesem Staat abbrechen. Ich werde dann keinerlei Schritte mehr unternehmen, um mich mit dem Staat zu verständigen. Ich schließe dann keine Kompromisse mehr. Das wäre moralisch nicht mehr vertretbar.

Sie als Öcalans Anwalt haben keine Hoffnung mehr?

Wir sind nur eine Handvoll Leute. Wie sollen wir verhindern, was die ganze Welt sehenden Auges zugelassen hat. Was die USA, aber auch Deutschland, England, Frankreich und Italien tun, ist doch reine Komplizenschaft mit der Türkei.

Wäre es besser gewesen, wenn Deutschland die Auslieferung Öcalan verlangt hätte?

Ja. Deutschland hat aber das Recht mit Füßen getreten und de facto mit dafür gesorgt, daß der Mann an die Türkei ausgeliefert wurde.

Was hätten Sie denn von einem Verfahren in Deutschland erwartet?

Es hätte den Weg für ein internationales Verfahren über die Kurdenfrage geebnet. Natürlich muß Öcalan vor ein Gericht. Und wenn er sich strafbar gemacht hat, muß er bestraft werden. Ich streite das nicht ab. Aber jetzt wird ihm ein Prozeß gemacht, den er nicht verdient. Interview: Dilek Zaptcioglu,

Jürgen Gottschlich