: Moskaus Friedensbote auf Tour
■ Kanzler Schröder sieht nach Gespräch mit russischem Sondergesandten Tschernomyrdin neuen Impuls für Verhandlungen über Kosovo. Nato-Rakete zerstört Wohnhaus in Bulgarien
Die Bemühungen um eine friedliche Lösung des Kosovo-Krieges haben als Folge zunehmender russischer Vermittlungsbemühungen an Fahrt gewonnen. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte gestern nach einem Gespräch mit dem russischen Jugoslawien-Vermittler Wiktor Tschernomyrdin in Bonn, er glaube, daß durch die Bemühungen Moskaus sowie von UN-Generalsekretär Kofi Annan „Bewegung in Richtung Lösung“ erzeugt worden sei. Tschernomyrdin sagte, die Verhandlungen seien „kein Durchbruch, aber Bewegung“.
Tschernomyrdin sah auch Bewegung in Belgrad mit Blick auf eine sichere Rückkehr der Flüchtlinge. Ferner habe die Regierung von Präsident Slobodan Miloevic auch einer internationalen Präsenz unter UNO-Führung und Beteiligung Rußlands zugestimmt.
Schröder hob hervor, daß eine politische Lösung und ein dauerhafter Frieden ohne eine Beteiligung Rußlands nicht möglich seien. „Die Bundesregierung begrüßt ausdrücklich die Rolle Rußlands, die sie im Kosovo-Konflikt übernommen hat“, sagte Schröder.
Tschernomyrdin hatte vor seinem Abflug in Moskau gesagt, er werde in Bonn und Rom „konkrete Vorschläge“ für die Lösung des Konflikts unterbreiten. Diese Vorschläge wolle er dann am Freitag in Belgrad Präsident Slobodan Miloevic vorlegen. Am Morgen hatte Tschernomyrdin in Moskau mit UN-Generalsekretär Kofi Annan gesprochen und im Anschluß gesagt, den Vereinten Nationen komme bei der Lösung des Kosovo-Konflikts eine „kolossale Rolle“ zu. Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlung nannte Tschernomyrdin die sofortige Einstellung der Nato-Angriffe gegen Jugoslawien. Andernfalls seien Bemühungen um eine Verhandlungslösung „verlorene Zeit“.
Unterdessen setzte die Nato ihre Angriffe gegen Jugoslawien fort. Kampfflugzeuge der Allianz bombardierten erneut die Hauptstädte der Teilrepubliken Serbien und Montenegro, Belgrad und Podgorica. Dabei sollen nach den Angaben von Belgrader Medien mindestens fünf Zivilisten getötet worden sein. Die Angriffe in Belgrad galten Augenzeugen zufolge dem Südwesten, wo sich Kasernen der jugoslawischen Armee befinden. Auch die Stadt Surdulica, wo am Dienstag eine Nato-Rakete in ein Wohngebiet eingeschlagen war, wurde angegriffen.
Eine Rakete der Nato schlug in der Nacht zum Donnerstag auch in einem Vorort der bulgarischen Hauptstadt Sofia ein. Nach bulgarischen Angaben wurde dabei ein Haus schwer beschädigt. Die Nato bestätigte, daß die Rakete von einer Maschine abgefeuert wurde, die gegen Jugoslawien im Einsatz war. Die bulgarische Außenministerin Nadeschda Michailowa forderte die Nato auf, ihre Regierung über die Umstände des Vorfalls zu informieren.
Die Kosovo-Albaner fliehen weiter zu Tausenden aus ihrer Heimat. Innerhalb von 24 Stunden haben erneut 3.300 Menschen die Grenze zu Albanien überquert und damit die Zahl der Flüchtlinge auf 371.000 erhöht, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) mit. 5.200 Kosovo-Albaner kamen in Makedonien an. Die Situation der Flüchtlinge habe sich dort laut UNHCR etwas entspannt, nachdem gestern ein neues Camp bei Cegrane früher als erwartet eröffnet werden konnte. AP/dpa/epd
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen