: „Gemeinsam das Kosovo befreien“
■ Der Deutschland-Vertreter der UÇK-Exilregierung, Mujä Rugova, fordert vom Westen einen Marshallplan für die ganze Krisenregion
taz: Seit Beginn des Kosovo-Krieges rekrutiert die UÇK in Deutschland Kämpfer. Wie werden die Männer ausgebildet?
Mujä Rugova: Die jungen Männer, die aus Deutschland zu uns kommen – bislang haben sich mehrere tausend gemeldet –, haben meistens überhaupt keine militärische Vorbildung. Sie werden fünf bis sieben Wochen lang von albanischen Offizieren ausgebildet, die ihre Militärzeit in Ex-Jugoslawien absolviert haben.
Und wo werden sie eingesetzt?
Sie kämpfen in den Gebieten, die noch in der Hand der UÇK sind, vom Norden des Kosovo bis zur albanischen Grenze, das entspricht etwa 40 Prozent des Kosovo. Die UÇK hat keine schweren Waffen, aber Maschinengewehre.
Sie fordern Waffenlieferungen vom Westen?
Es ist egal, woher sie kommen. Wir nehmen sie. Wenn die UÇK genügend Waffen hat, kann sie das Kosovo in drei Wochen befreien.
Trotz massiver Luftangriffe hat das die Nato in vier Wochen nicht geschafft. Muß sie jetzt Bodentruppen schicken?
Die Nato hätte schon zu Beginn des Krieges Bodentruppen schikken müssen. Denn ohne Bodentruppen oder eine gut bewaffnete UÇK wird die Vertreibung nicht aufhören. Und diese Vertreibung ist die schlimmste, die die Kosovaren in diesem Jahrhundert erleiden. Nato und UÇK müssen gemeinsam das Kosovo befreien. Außerdem muß die Nato die militärische Infrastruktur der Serben zerstören. Das ist für ganz Europa wichtig. Denn es ist möglich, daß die Serben in zwei bis drei Jahren eine Atombombe haben.
Haben Sie dafür Belege?
Ich bin von Beruf Chemiker und war mehrmals in einem Institut bei Belgrad, wo es einen großen Nuklearraktor gibt Dort wird der Bau vorbereitet.
Arbeitet die UÇK eigentlich mit der Nato zusammen?
Schon vor dem Krieg haben wir der Nato gesagt, daß wir ihre Befehle akzeptieren und vorbereitet sind für eine Zusammenarbeit. Die UÇK hat Verbindungen zur Nato und ist laufend im Gespräch.
Welche politische Perspektive hat das Kosovo?
In der jugoslawischen Republik gab es sechs Teilrepubliken. Keine von ihnen will mehr mit Serbien leben, alle sind aus der Republik ausgeschieden, obwohl alle eine slawische Wurzel haben. Die Albaner aber sind ein anderes Volk. Warum sollten sie mit den Serben zusammenleben? Und nach der Gewalt, die jetzt passiert ist, können wir nicht mehr mit den Serben zusammenleben. Europa muß eine Lösung für den Balkan finden.
Wie sollte die aussehen?
Wir brauchen einen Marshallplan für den Balkan. Die Nationen auf dem Balkan müssen lernen, so nebeneinander zu existieren wie Deutschland und Frankreich. Auch hier gab es lange ein Feindschaft, jetzt sind die Grenzen offen. Europa muß den Balkan europäisieren, damit der Balkan nicht Europa balkanisiert. Und die Albaner müssen die gleichen Rechte haben wie alle anderen.
Derzeit gibt es drei politische Gruppen, die die Führung im Kosovo übernehmen möchten: der gewählte Präsident Ibrahim Rugova und seine Demokratische Liga Kosova (LDK), die Exilregierung unter Premierminister Bujar Bukoshi und Ihre Exilregierung unter Hashin Thaci. Wie könnten Sie sich miteinander arrangieren?
Eine Zusammenarbeit ist unmöglich. Rugova hat acht Jahre lang behauptet, er habe die Unabhängigkeit des Kosovo in der Tasche. Bukoshi sagte, er habe eine Armee. Nichts davon war wahr. Es ist ja wohl kein Zufall, daß sich die Vertreter der Kosovo-Albaner auf Thaci als Verhandlungsführer in Rambouillet geeinigt haben. Im übrigen haben Rugova und die LDK mittlerweile die Unterstützung des Volkes verloren. Durch das Treffen mit Miloevic und anderen Serben hat er uns verraten. Er ist auch keine Geisel der Serben, wie es in den Medien berichtet wurde. Interview: Jutta Wagemann
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