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Zwei Schwarze Peter für 1. Mai

■  Polizei und Veranstalter werfen sich gegenseitig fehlende Dialogbereitschaft vor. Polizei leitete zwei Strafverfahren gegen mehrere Beamte ein, 19 Haftbefehle gegen Demonstranten

In der gestrigen Nachlese zum 1. Mai schoben sich die Veranstalter der „revolutionären“ 1.-Mai-Demonstration und die Polizei gegenseitig die Schuld an den Krawalle zu, zu denen es nach der Demonstration in Kreuzberg gekommen war. „Wir haben auch bei Steinwürfen lange Geduld gehabt und nicht auf jedes Fünkchen reagiert“, sagte der Chef der Landesschutzpolizei, Gernot Piestert. Die Polizei habe bereits im Vorfeld gewußt: „Die Gewaltbereiten erreichen wir nicht.“

Piestert räumte jedoch auch „Überreaktionen“ in den eigenen Reihen ein. Derzeit ermittelt die Polizei gegen einen namentlich noch unbekannten Beamten, der eine Demonstrantin grundlos angegriffen und so lange geschlagen hatte, bis sein Schlagstock zerbrochen war. Außerdem stellte die Polizei gestern eine weitere Strafanzeige gegen Beamte, die Journalisten attackiert und bei ihrer Arbeit behindert haben sollen. Piestert betonte, daß diese Polizisten „die volle Härte des Gesetzes“ treffen müsse. „Notfalls muß man sie rausschmeißen.“

Der stellvertretende Leiter der Direktion 7, Herbert Lehniger, beklagte unterdessen fehlende Gesprächsbereitschaft bei einem Teil der Demonstranten. Das stundenlange Einkesseln von etwa 350 Personen, die am Freitag abend im Rahmen einer „Reclaim the Streets“-Party eine Kreuzung über die Eberswalder Straße blockiert hatten, sei nötig gewesen, weil die Lage sonst „nicht mehr kontrollierbar gewesen wäre“. Daß die Veranstalter das anders sehen, kommentierte Lehniger mit den Worten: „Aus dem unterschiedlichen Rollenspiel heraus gibt es eine unterschiedliche Sicht.“

Die Veranstalter der 1.-Mai-Demonstration bezeichneten die Kommunikationsoffensive der Polizei als „Farce“: Auf „einzelne Flaschen- und Steinwürfe“ sei mit einem „völlig unverhältnismäßigen Einsatz“ reagiert worden. „Die haben den gesamten Demozug weggeprügelt und massiv Tränengas eingesetzt“, sagte eine Sprecherin. Weiterhin beklagten die Veranstalter, daß am frühen morgen des 1. Mai etwa zehn Personen beziehungsweise Wohngemeinschaften von Vertretern des Landeskriminalamt zum Teil in schriftlicher Form aufgefordert wurden, „von Straftaten abzusehen“: „Vorsorglich machen wir Sie darauf aufmerksam, daß Sie heute unter besonderer Beobachtung stehen“, hieß es in den Schreiben. Die Polizeipressestelle sprach von „Routinebesuchen“ und machte keine weiteren Angaben. Vorwürfe einzelner Demonstranten, außerhalb der Stadtgrenzen verbracht worden zu sein, bestätigte die Polizeipressestelle nicht.

Nach Angaben der Justizverwaltung gab es 122 vorläufige Festnahmen und 19 Haftbefehle wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Gefangenenbefreiung, Beleidigung und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Während die PDS der Einsatzleitung „planmäßige Eskalation“ vorwarf, sprachen die Grünen gestern von einer Bewährung des Deeskalationskonzeptes. Dieses müsse allerdings auch bei der Bereitschaftspolizei ankommen, die zum Teil „mit äußerster Agressivität vorgegangen“ sei. Die Forderung von Innensenator Werthebach (CDU) nach einer Verlängerung des „Unterbindungsgewahrsams“ von einem auf vier Tage bezeichnete Wolfgang Wieland jedoch als „absurd“. Während sich der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Klaus Landowsky, der Forderung anschloß, erteilte der SPD-Spitzenkandidat Walter Momper dem Ansinnen eine Abfuhr. B. Bollwahn de Paez Casanova

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