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Bücher für RandgruppenVon Fledermäusen und Ledermännern

■ Basels Batman schreibt über Mausohrkolonien, deutsche Zoologen studieren die Autoerotik indischer Riesenflughunde

Noch vor wenigen Jahren wurden sie einfachhalber von Naturschützern im Resort „Vogelschutz“ mitverwaltet: Fledermäuse, ungeliebte Tiere, lobbylos. Allmählich trennt sich nun die steigende Schar der Fledermausfreunde von den Ornithologen und bildet ihre eigenen Organisationen. „Vespertilio e. V.“ nennt sich beispielsweise die Berliner Vereinigung und „pro Chiroptera“ die schweizerische. Deren Förderer Jürgen Gebhard arbeitet als Präparator im Naturhistorischen Museum in Basel und gilt als einer der versiertesten internationalen Fledermausspezialisten, Spitzname: Basels Batman.

Sein wunderschönes Fledermausbuch weist ihn darüber hinaus als obsessiven Liebhaber der virtuosen Sturz- und Steigflieger aus. So attraktiv und detailliert wurden Fledermäuse selten beschrieben. Insbesondere die Abbildungen sind von besonderer Güte: Ob Blutadern in der gespannten Armflughaut eines großen Mausohrs mit der verheilten Verletzung einer Ader, die von einer wiederum blutsaugenden Milbe stammt, oder die spitze Kralle der Bechsteinfledermaus, die als unentbehrlicher Kletterhaken dient – all dies, so speziell es auch klingen mag, wird durch die phantastischen Makroaufnahmen zum wahren Kunstwerk. Oder das Schwarzweißfoto des seit Jahrzehnten nicht mehr gereinigten Hangplatzes einer hundertköpfigen Mausohrkolonie: ein riesiger Kothaufen, 80 Zentimeter hoch und ein 4 Zentimeter langer Urinsteintropf am Gebälk! Der aufgeschnittene Fledermausurintropfstein zeigt begrenzte Ablagerungsringe, die ähnlich Baumstümpfen periodisch bedingten Zuwachs zeigen.

Einen großen Teil der Lektüre nehmen die Dokumentationen zum Schutz der Fledertiere ein. Seit einigen Jahren werden sie von Vespertiliologen wie Vögel beringt, um ihre Wanderbewegungen nachzuvollziehen. Eine solche, in Lettland beringte wurde in Weil am Rhein unversehrt einer Katze abgenommen und kuschelt sich nun fotogen auf der Hand des Retters im Kapitel „Wanderer und Seßhafte“.

Nie gesehene Bilder einer Fledermausgeburt mit ausführlicher Beschreibung der Wehen, eine Kollektion abgefallener Nabelschnüre und die Zeichnungen unterschiedlicher Fledermauspenisformen durch Otto von Helversen machen dieses Buch zu einem anregenden Nachschlagewerk auch für die nicht an europäischen Fledermäusen interessierte Leserschaft.

Seltene Bilder wie das des kleinsten Säugetiers der Welt, der erst 1972 entdeckten Hummelfledermaus, zeigt das wunderbare Fledermausbuch des deutschen Zoologen Klaus Richarz. Mit zarten zwei Gramm Gewicht und drei Zentimeter Kopf-/Rumpflänge ist die nur am Kwai River in Thailand beheimatete Art leider auch eine der seltensten und steht mit schätzungsweise 200 Exemplaren auf der Liste der am meisten bedrohten Säugetiere.

Es finden sich ausführliche Beschreibungen der bizarren blutleckenden südamerikanischen Vampire und des Flugapparats von Leonardo da Vinci, die der Künstler im Jahre 1500 als Modell aus einem Fledermausflügel konstruierte. Ein indischer Riesenflughund betätigt sich autoerotisch und bläst sich einen, am Baum hängend. In dieser Kulturgeschichte der Fledermaus ist selbst das fledermauslose Island bedacht: mit dem Foto des Reklameschildes für einen Wachdienst – die Fledermaus als Sicherheitssymbol eines Landes, in dem Batman im Kino mit „ledurblökmandurinn“, Fledermausmann, wörtlich: Lederflattermann, übersetzt wird und in dem die Monatszeitung der schwulen Ledermänner vom MSC-Island (14 Mitglieder) „ledurblakan“, (F)ledermaus heißt. Wolfgang Müller

Jürgen Gebhard: Fledermäuse. 380 Seiten, Birkhäuser-Verlag, Basel, 68 DM Klaus Richarz/Limbrunner: Fledermäuse. 192 Seiten, Kosmos, Stuttgart, 88 DM BAT (LP): Ultraschallaute einheimischer Fledermäuse (EfA, Best.-Nr. 15379/08)

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